Postfaktisch!

Letzte Woche fiel mir ein 7 Jahre alter BMJ Weihnachtsartikel in die Hand über ein Phänomenon, das die Engländer Denialism nennen

Espousing unproved myths and legends is widespread during the festive season, but some groups hold views contrary to the available evidence throughout the year. This phenomenon, known as denialism, is becoming more elaborate and widespread, and poses a danger to public health, say Martin McKee and Pascal Diethelm

Und Mermaids Tale, eloquent wie immer, schreibt zum Jahreswechsel über “post truth science

This year was one that shook normal politics to its core. Our belief in free and fair elections, in the idea that politicians strive to tell the truth and are ashamed to be caught lying, in real news vs fake, in the importance of tradition and precedent, indeed in the importance of science in shaping our world, have all been challenged. This has served to remind us that we can’t take progress, world view, or even truth and the importance of truth themselves for granted. The world is changing, like it or not. And, as scientists who assume that truth actually exists and whose lives are devoted to searching for it, the changes are not in familiar directions.

Wissenschaft wird immer schwieriger: mit universitärem Massenbetrieb und sinkender Ausbildungsqualität, Über-und Unterförderung von Forschung, mangelnder Kontrolle des Outputs wo Peer Review nicht mehr funktioniert.

Nach dieser Erosion wundert nicht, dass postfaktisch im Dezember zum Wort des Jahres 2016 erklärt wurde obwohl es doch eigentlich das Unwort des Jahres ist

Postfaktisch?

Im Endeffekt geht es dem Journalismus nicht anders, der wie Wissenschaft auf Analyse von Fakten beruht. Klaus Brinkbäumer schreibt im Leitartikel des Spiegels über Augsteins Auftrag an die Zukunft des Journalismus (im gedruckten Heft 1/2017:12):

Donald Trump gewinnt die Wahl trotz allen, denn er hat 18 Millionen Follower auf Twitter und 17 Millionen auf Facebook. Dort erzeugt Trump seine eigene Wirklichkeit, und unterstellt denen, die ihn seiner Lügen überführen, dass sie Lügner seien. Er ist Vorbild für viele. Längst nennen Lügner eine Presse, die Wahrheiten sucht, “Lügenpresse”. Die Türkei lässt Journalisten verhaften. Und die Verfasser von Fake News, Falschmeldungen, bezeichnen Nachrichten, die ihnen nicht passen, exakt so: “Fake News!”. Postfaktisch wird die Gegenwart genannt, da für viele Menschen Lügen so unterhaltsam und bald so wahr sind wie die Wahrheit. Wenn Algorithmen zu Chefredakteuren werden, werden Mensch die rassistische Texte lesen wollen, mit rassistischen Texten beliefert. So wird die Welt endlich logisch…

Brinkbäumer fährt fort mit einem Plato Zitat, obwohl zu Platos Zeiten Lüge und Irrtum noch nicht getrennt war. Heute allerdings kennen wir den Unterschied, Lügen bleiben Lügen, auch wenn sie als postfaktische Sprüche daher kommen. Für Brinkhäuser steht hier alles auf dem Spiel, von der Pressefreiheit, bis zur Demokratie des Westens. Auch die Zukunft von Wissenschaft steht auf dem Spiel.