Kooperation in der Wissenschaft – Ein Missverständnis

Kooperationen in der Wissenschaft sind gut. Kooperation ist wichtig, um eigene Defizite auszugleichen oder auch nur um über den Tellerrand zu schauen. Aber Kooperationen machen keinen Sinn sui generis: Ausschreibungen, die nur bestimmte Kooperationen erlauben oder Listen von Kooperationspartnern, die dann mit Plus oder Minuspunkten für die Karriere bewertet werden, sind weitgehend sinnfrei.

Woher kommt eigentlich die Idee, dass man mit mit mehr akademische Kooperationen, ein besserer Wissenschaftler ist? Ich vermute, die Wissenschaftspolitik hat mit Verzögerung aus dem Wirtschaftsleben eine Entwicklung übernommen, die dort als “Design Thinking” bekannt ist. Ein exzellenter Artikel in brandeins Sept 2017 “Lasset und Denken” von Daniel Hornuff fasst es zusammen

Natürlich sind Sie ein Teamplayer! Was denn sonst, schließlich gelten der Wille und die Fähigkeit zur Teamarbeit als Eintrittskarte in die Welt der Unternehmen […] Der Prozess verläuft stets ähnlich: Er beginnt mit der Klärung des Auftrags und einer Recherchenphase, geht über zu Ideenfindungen und Prototyping, mündet in eine begründete Auswahl, und aus der resultiert schließlich die Umsetzung. Vorbild für dieses Vorgehen soll die disziplinübergreifende Arbeit von Designern gewesen sein. Das Design Thinking erscheint demnach als die projektbezogene Systematisierung
gestalterischer Tätigkeiten […] Gerade weil Kreativität als ökonomischer Motor gilt, will man sich nicht dem freien Gedankenspiel
Einzelner überlassen – und damit dem Zufall, glücklicher Fügung oder einer Laune. Vorbei die Zeiten, in denen noch das gottgleiche, stets männliche Genie einen radikal neuen Einfalt aus jenseitigen Sphären empfangen konnte. Oberhaupt: Jene „angeborene Gemütslage”, das „ingenium”, von dem Immanuel Kant einst schwärmte, erwies sich als viel zu unzuverlässig, um ihm die Zukunft eines Unternehmens anzuvertrauen.

Hornuff schildert dabei skurrilen Exzesse

Weltkonzerne wie Bosch richten riesige Gebäude wie Künstlerateliers ein, um der “Irritation”, dem “Scheitern” oder der “plötzlichen Entdeckung” beiwohnen zu dürfen. Selbstverständlich werden hierzu (junge) Künstler akquiriert, erhofft man doch von ihnen am ehesten die Begegnung mit faszinierenden Mysterien. So heisst es bei Bosch: “Die Werkzeugkisten haben bewusst keine Beschriftung, damit man auch mal findet, was man nicht gesucht hat.”

Teamwork und Kooperationen sind wichtig, aber Listen von “Kooperationsleichen” sind kein Mass für Reputation und schon gar nicht für qualitativen Output.