Zur Logik des NO2 (6000 Tote XIII)

Ein sinnfreier Titel. Das sei aber erlaubt in der aktuellen sinnlosen und kontraproduktiven Diskussion.

Herr Köhler hat auf die widersprüchliche Einschätzung des NO2 Effektes im Innenraum und im Aussenraum aufmerksam gemacht. Und in der Tat sagt das UBA zum Innenraum (7. Sitzung des Ausschusses für Innenraumrichtwerte (AIR) am 03. und 04. Mai 2018 in Berlin)

Für eine Ableitung von Langzeitrichtwerten für NO2 in der Innenraumluft liegen aus Sicht des AIR zurzeit keine hinreichend belastbaren epidemiologischen Ergebnisse für NO2 als Einzelsubstanz vor. Im Unterschied zu den Kurzzeitstudien ließ sich aus den Langzeitstudien angesichts der erheblichen Unsicherheiten bzgl. der Expositionsabschätzung und bzgl. der Einflüsse diverser Confounder keine LO(A)EC ermitteln. Aufgrund der Datenlücken kam der AIR überein, von der Festsetzung von Langzeitrichtwerten für Stickstoffdioxid in der Innenraumluft abzusehen. Zur Ableitung eines Kurzzeitrichtwertes II für NO2 in der Innenraumluft geht der AIR von einer LOEC von 0,5 mg NO2/m3 bei Personen mit leichtem Asthma aus. Relevanter gesundheitlicher Endpunkt bei diesen Personen ist eine erhöhte Reagibilität und Entzündung der Atemwege.

Für die permanent hohe Langzeitbelastung im Haushalt z.B. durch Kochen oder Heizung lässt sich also kein erhöhtes Risiko beschreiben.

Für dieselbe permanent hohe Langzeitbelastung im Aussenraum kann man es dann aber doch.

Wo bleibt da die Logik?

Das UBA weiss das im übrigen schon (siehe heise.de, focus.de, umweltbundesamt.de), redet aber die Unterschiede klein mit freiwilliger-unfreiwilliger Exposition (Quatsch: wir atmen immer  unfreiwillig egal ob drinnen oder draussen), besonders empfindlichen Menschen wie Kinder, Schwangere, Ältere, Asthma (die Konzentration schadet immer egal ob innen oder draussen eingeatmet) oder Kurzzeit vs Langzeitexposition (auch Quatsch, denn im Innenraum verbringt man mehr Zeit als im Aussenraum).

Einige Epidemiologen haben heute ein Papier zu ihrer Verteidigung auf den Weg gebracht  “Die Rolle der Luftschadstoffe für die Gesundheit. Eine Expertise im Namen der Internationalen Gesellschaft für Umweltepidemiologie (ISEE) und der European Respiratory Society (ERS)”, das an den Umweltausschuss des Bundestages geschickt wurde. Ist die Epidemiologie so wenig souverän, dass sie sich nun substantiell verteidigen muss?

Eigentlich verfehlt das Papier komplett das Thema , denn es geht nicht um den Sinn epidemiologischer Studien “an sich”, sondern um die 6000 NOToten. Und bei dieser Studie

  1. gibt es einen klaren Widerspruch zu den Innenraumstudien (der Innenraum selbst bleibt völlig unberücksichtigt)
  2. wird ein isolierter Marker herausgezogen, der nur Teil eines Stoffgemisches ist
  3. ist ein ökologischer Fehlschluss wahrscheinlich durch diverse Confounder
  4. ergibt sich ein Bias durch selektive Auswertung neuerer Studien
  5. sowie ein Bias durch das selektiven Reporting der Ergebnisse

was zu einem verlorenen Vertrauen in die wissenschaftliche Unabhängigkeit geführt hat.

Die Argumentation, es gibt keinen sicheren unteren Grenzwert für NO2, weil ich keinen nachweisen kann – heisst doch noch lange nicht, dass es ihn nicht gibt. Es gibt allenfalls keine epidemiologische Methode mit der ich ihn erkennen kann – derselbe Denkfehler wie bei Köhler, der noch keine Tote durch Feinstaub gesehen hat.

Leider steht dazu überhaupt nichts in der “Expertise”. Es steht darin auch nichts mehr von den 6000 NOToten – sie werden still und heimlich begraben.

Und noch etwas fällt auf: Toxikologische Erkenntnisse zu NO2 werden als Beweis für die Schädlichkeit des Gases genommen, obwohl es in dem fraglichen Konzentrationsbereich von 40 μg/m3 NO2 gerade keine toxikologischen Erkenntnisse gibt. Es fehlt die integrative Sicht der Schadstoffe was selbst die WHO 2015 bemängelt

Few existing studies have considered two or more pollutant models, but experts emphasized that, particularly in the context of long-term exposure, the fact that NO2 may represent other constituents in the mixture of traffic-related air pollutants needs to be addressed when reviewing the evidence.

sondern nur Einzelaufzählungen. Auch werden die unterschiedlichen Studientypen weiterhin nicht nach Evidenz gewichtet.

“Wahrscheinlich kausal” ist in meiner Lesart “nicht kausal” und erinnert an den Witz von “ein bisschen schwanger”.

Die NO2 Hauptquelle im Verkehr sind die Dieselfahrzeuge,  das ist unstrittig. Diesel haben aber den Vorteil eines geringeren Verbrauchs, den Vorteil des geringerem CO2 Ausstosses und den Vorteil geringerer Partikelproduktion. Mit dem Aussperren der Diesel sind sogar höhere NO2 und Partikelwerte möglich, wenn Diesel nun gegen hochmotorisiertere Benzinmotoren getauscht werden. Dann wäre die Aussperrung mehr oder weniger wirkungslos bezogen auf die NO2 Hintergrundbelastung.

Der NO2 Streit ist also völlig sinnlos, beschädigt die beteiligten Wissenschaftler und die Umwelt obendrein.

Nur die Autoindustrie profitiert davon, denn von deren Betrug redet nun niemand mehr.