Die Wahrheit

Hanna Arendt unterscheidet Tatsachenwahrheit und Vernunftwahrheit in ihrem Essay Wahrheit und Politik 1964

Wiewohl es im Politischen zumeist die Tatsachenwahrheiten sind, die auf dem Spiel stehen, ist der Konflikt zwischen Wahrheit und Politik zuerst an der Vernunftwahrheit ausgebrochen und entdeckt worden. In den Wissenschaften ist das Gegenteil der Wahrheit der Irrtum oder die Unwissenheit, in der Philosophie die Illusion oder die bloße Meinung.

Dazu letzte Woche auf feinschwarz Julian Müller

Die von Arendt getroffene Unterscheidung in Wahrheit(en) und bloße Meinung(en) im eingangs erwähnten Werk scheint mir heute noch genauso dienlich, wie ihre Ausdifferenzierung in verschiedene Formen der Wahrheit… Über Meinungen kann, darf, ja soll sogar gestritten werden, sie bilden letztlich den Raum des Politischen: nach Arendt also den Bereich des gemeinsamen Handelns bzw. der Gestaltung der für alle Beteiligten gemeinsamen Welt. Wahrheiten jedoch unterscheiden sich von diesen durch ihren Wahrheits- und Gültigkeitsanspruch: „Jede Wahrheit erhebt den Anspruch zwingender Gültigkeit […]“, eine erfolgende Diskussion und Zustimmung oder aber auch eine Verweigerung derselben kann diesen weder erhärten, noch erschüttern.
Dabei weiß Arendt selbstverständlich um einen notwendig gegebenen Interpretationsspielraum und um die Tatsache, dass die sogenannte „nackte Wahrheit“ immer auch eine Frage der Perspektive ist. Der Umstand, dass es Wahrheit immer nur in Relation gibt, kann jedoch nicht dazu dienen, „[…] die Unterschiede zwischen Tatsachen, Meinungen und Interpretationen einfach zu verwischen […]“, „Wahrheit in Relation“ bedeutet also mit anderen Worten keineswegs Relativismus.

Das Problem ist nur – zumindest in der Wissenschaft – weniger das Relationale oder die Perspektive, sondern die Unklarheit ob etwas wahr oder falsch ist, ob meine Meinung oder Deine Meinung stimmt.