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COVID-19 Mortalität II: Hamburg und München im Vergleich

Sehen wir uns den Verlauf der an das RKI gemeldeten Fälle (grau), Todesfälle (rot) sowie in blau die Case Fatality Ratio oder Fall-Verstorbenen-Anteil und zwar als “verzögerungsbereinigter Fall-Verstorbenen-Anteil”, in dem in einem Verschiebefenster die Fälle plus / minus 3 Tage um den Indextag mit den Todesfällen an Tag  14 plus / minus 3 Tage korreliert werden. Im ersten Märzdrittel ist die CFR stabil in München; über den gesamten Zeitraum beträgt sie 219/6526=3.4%.

CFR in München bis 3.6.2020 (1. Welle). Datenstand RKI 18.11.2020. Eigene Auswertung, Skript auf Anfrage.

Im Vergleich dazu nun Hamburg. Hier ist die CFR im selben Zeitraum mit 264/5090=5.2% höher und hat zusätzlich noch einen Peak im letzten Märzdrittel.

CFR in Hamburg bis 3.6.2020. Datenstand RKI 18.11.2020. Eigene Auswertung, Skript auf Anfrage.

Das Sterberisiko ist  in der Gesamtpopulation signifikant höher in Hamburg mit einem OR von 1.6 (1.3-1.9). Schauen wir uns daher auch noch die Alters- und Geschlechtsverteilung der Verstorbenen an.

Sterbefälle Rohzahlen in Hamburg und München bis 3.6.2020. Datenstand RKI 18.11.2020. Eigene Auswertung, Skript auf Anfrage.

In Hamburg versterben in allen Altersklassen mehr Menschen. Aus technischen Gründen kann ich leider nicht für Alter und Geschlecht adjustieren weil in den RKI Meldedaten nach IfSchG Todesfall und Erkrankungsfall auf unterschiedlichen Zeilen stehen.

Sterbefälle gegen Erkrankungsfälle in Land -bzw Stadtkreisen bis 3.6.2020. Datenstand RKI 9.12.2020. Hamburg, Wesel und München sind markiert. Eigene Auswertung, Skript auf Anfrage.

Wie sieht es auf Intensivstationen aus? Nach den klinischen Studien von Kluge (Hamburg) und den Angaben von Wendtner (München) wurden in Hamburg 996 und in München 1300 Patienten hospitalisiert. Hamburg hat davon 261 Patienten auf die Intensivstation verlegt, München 270.

Sterbefälle auf den Intensivstationen in Hamburg und München. Quelle: https://linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S1036731420303349 sowie https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-klinik-corona-patienten-zwischenbilanz-1.5142374. Eigene Zusammenstellung, Skript auf Anfrage.

Von 223 Fällen auf der Intensivstation in Hamburg starben 78, also 35%. Bei 261 Fällen gesamt waren es damit hochgerechnet ca 91 Todesfälle. In München starben 28% also 76 Menschen. Hamburg behandelte somit signifikant mehr Patienten auf der Intensivstation (OR 1.4, P=0.002). Auf der Intensivstation sterben  mehr Patienten als in München (ebenfalls OR 1.4, P=0.09) damit ergibt sich ein  gepooltes Mantel-Haenszel  OR von 1.6 ( 1.2-2.2, P=0.003) in der Klinik.

Dass bei der Auswertung der klinischen Daten nun exakt dasselbe Ergebnis herauskommt wie in den populationsbasierten  RKI Daten belegt meiner Ansicht nach, dass die CFR von der klinischen Versorgung bestimmt wird.

Screenshot https://www.muenchen-klinik.de/covid-19/intensivzahlen/

Das wird zwar bisher von den Intensivmedizinern vehement bestritten, ist aber nachvollziehbar da nach RKI Angaben deutschlandweit 73% der Infektionsfälle  hospitalisiert werden.

Was macht Hamburg nur anders als München? Ich vermute die Behandlung ist etwas unterschiedlich.

Screenshot https://www.muenchen-klinik.de/covid-19/intensivzahlen/

 

Testen, testen, testen

Youtube liefert viele Corona Videos zum Fremdschämen, zum Beispiel dieses Video “Mansmann vd. Bhakdi”


9:53 Zitat “ich gebe Herrn Bhakdi eigentlich recht, dass diese Massentesterei sinnlos und gefährlich ist” (Prof. Dr. Ulrich Mansmann / Volkswirt, LMU, Pseudoexperte).

 

Mal abgesehen, dass das Verfahren “Nowcast” und nicht “Nocast” heisst, war auch die Formel des PPV in der neuen LMU Corona Vorlesung nicht richtig. Für ein Case-Control Szenario nimmt man eigentlich

auch wenn dann dasselbe Ergebnis herauskommt wie bei Mansmann.

Es ist aber trotzdem falsch, weil die PCR keine 98% Spezifität hat. Zitat aus einem früheren NDR Podcasts:

In China gab es dazu den grössten PCR Massenversuch aller Zeiten: 10 Millionen Tests in Wuhan (Nature 20.11.2020). Dabei wurden 300 asymptomatische Fälle identifiziert. Selbst wenn alle 300 Fälle falsch positiv gewesen wären (was sie nicht waren) wären das gerade mal 0,0003 % und nicht 2%.

Damit zur echten Wissenschaft.

49:54 Zitat “wir … testen um Übertragungen zu verhindern und um die Pandemie zu kontrollieren” (Prof. Dr. Christian Drosten / Virologe, echter Experte)

 

Weitere Links zum Nachlesen etwa

COVID-19 Mortalität I: Wieso ist die Mortalität In Deutschland so unterschiedlich?

Wenig diskutiert wurde bislang die sehr unterschiedliche IFR/CFR (Infection Fatality Ratio bzw Case Fatality Ratio) innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.

CFR nach Altersgruppen in den einzelnen Bundesländern. Datenstand RKI 18.11.2020. Eigene Auswertung. Skript auf Anfrage. Definition der CFR als Fall-Verstorbenen-Anteil https://de.wikipedia.org/wiki/Fall-Verstorbenen-Anteil#Roher_Fall-Verstorbenen-Anteil

Zum einen könnte die Unterschiede ganz einfach methodische Gründe habe, dass etwa in einem Bundesland häufiger getestet wird. Damit steigt der Nenner des Quotienten aus Verstorbenen zu infizierten Fällen und die Ratio sinkt. Oder die Verstorbenen werden nicht vollständig erfasst, dann sinkt der Quotient ebenfalls. Für beide Annahmen gibt es aktuell wenig Belege.

Gemittelte CFR in den einzelnen Landkreisen. Datenstand RKI 18.11.2020. Eigene Auswertung, Skript auf Anfrage.

Die nächste Möglichkeit wäre eine unterschiedliche genetische Empfindlichkeit der Bevölkerung. Aber nach allem was wir bisher wissen, etwa den Genomscans, ist diese Möglichkeit praktisch auszuschliessen. Es könnte auch natürlich auch sein, dass lokal unterschiedliche Virusvarianten (etwa B.1.1.7) grassieren. Leider gibt es in Deutschland trotz 150 Millionen Forschungsetat keine einzige flächendeckende Untersuchung (gerade mal 800 Sequenzen seit März), obwohl ich das in der molekularen Epidemiologie hätte leisten können. In der Gesamtschau ist es allerdings unwahrscheinlich, dass hier eine Virusvariante unter dem Radar läuft.

Möglicherweise gibt es in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich viele Patientenverfügung (“DNR” do not resuscitate, “DNI” do not intubate), wofür es aber auch keine empirischen Beweise gibt. Die CFR wird vor allem von Clustern in den Altersheimen in die Höhe getrieben. Heime sind in der Tat in Bayern mehr betroffen gewesen als in anderen Bundesländern, Ursache unbekannt, Pflegemangel könnte eine mögliche Ursache sein. Ohne eine zentrale Sammlung von Überlastungsanzeigen ist das schwer zu beweisen, weil der Pflegemangel vielleicht nur mal eine Woche und nur an einem Ort besonders extrem war.  Es könnte durchaus sein, dass eine hohe CFR eine Unterversorgung anzeigt. So wurde in Tirschenreuth die höchste  CFR aller Landkreisen im Lauf der Pandemie beobachtet, als alte Menschen überhaupt nicht mehr das Krankenhaus erreichten, sondern zuhause oder in Altenheimen starben. Allerdings kreuzen sich die Linien in dem Plot oben praktisch nicht, da die CFR auch bei jüngeren Patienten sehr unterschiedlich ist. Sachsen liegt auch hier am unteren Rand des Spektrums mit 2,0% und Bayern am oberen Rand mit 4,3%. Es muss damit also weitere Gründe für die Unterschiede geben.

Paradoxerweise könnte auch eine Überversorgung durch zu frühe Intubation die Prognose verschlechtern, so die Annahme von Lungenärzten  schon im Frühjahr. Es ist ja schon ein Unterschied, ob  sich die Lunge physiologisch mit Unterdruck oder künstlich mit Überdruck bewegt. Eine Studie im Lancet zeigte dann auch eine deutlich bessere Prognose wenn nicht maschinell beatmet wurde. Allerdings kommt hier “confounding by severity” ins Spiel, die Verzerrung durch die schlechtere Ausgangssituation. Das stimmt sicher, aber ist es die ganze Wahrheit?

Karagiannidis et al 2020 https://doi.org/10.1016/S2213-2600(20)30316-7 zeigten schon im Juni eine mehr als dreifach höhere Sterberate in beatmeten Patienten

Die aktuellen Empfehlungen zur Intubation basieren auf Horovitz Quotient ( arterieller Sauerstoffpartialdruck zur Konzentration von Sauerstoff in der eingeatmeten Luft), Atemfrequenz, Lungeninfiltrat und allgemeiner klinischer Situation. Es ist dann aber doch sehr unterschiedlich, was die “DIVI” () oder die “Lungenärzte” (Respiration) zu dem Thema veröffentlichen.

Warum gibt es trotz der Kontroverse keine prospektive Studie? Warum ist die Mortalität auf Hamburger Intensivstationen 4x höher als in Moers?

Hier ein Vergleich der Leitlinie

Kluge et al. 2020 https://doi.org/10.1007/s00101-020-00833-3 mit der 3. Version der Leitlinie und der Empfehlung “Kommt es unter den durchgeführten Maßnahmen zur weiteren Progression der akuten respiratorischen Insuffizienz, sollten ohne zeitliche Verzögerung die Intubation und eine nachfolgende invasive Beatmung erfolgen. Maßgeblich bei dieser Maßnahme ist ausdrücklich der Patientenwunsch.”

mit der Situation auf der Intensivstation


Roedl et  al 2020 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7590821 zeigen nur geringe Unterschiede in den Blutgaswerten bei Aufnahme zwischen beatmeten und nicht beatmeten Patienten, allerdings führt die Beatmung zu einem 10fach höherem Sterberisiko  (OR 10.3, 3.5-40.9, p=6.3 *10^-8).  Schlusssatz “Different management and therapy strategies of patients with COVID-19 requiring MV … cannot be entirely excluded.”

Warum wird Überleben nicht in einer Studie nach klinischem Status bei Aufnahme in der Klinik, auf der Intensivstation und zum Intubationszeitpunkt ausgewertet? Mit einer zentralen Auswertung der Kliniken wüssten wir vielleicht, warum die Corona Mortalität in Deutschland so unterschiedlich ist.

Kleine Anekdote zum Schluss aus dem Pandemia Podcast (43:30): Der erste SARS Patient 2003 in Europa – der Arzt Hoe Nam Leong – wollte damals in Frankfurt auch nicht beatmet werden, er wusste wohl wieso…

Covid-19 genetics – Any role of MIP1B?

The first GWAS of severe COVID-19 infection was published in the NEJM with the main hit at rs11385942 at locus 3p21.31, a region linked by the authors to LZTFL1. The GWAS catalogue points to MIP1B ( Macrophage Inflammatory Protein 1 beta, MIP-1b, CCL4) level that has been mapped there as well.

https://www.ebi.ac.uk/gwas/genes/LZTFL1
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5223028/

MIP-1B seems to be increased in patients with COVID-19 as a study showed that levels of various CCGFs, including PDGF-BB, CCL5/RANTES, CCL4/MIP-1β, IL-9, and TNF-β were upregulated in COVID-19 patients but negatively correlated to disease severity.

Supplement https://www.nature.com/articles/s41392-020-0211-1

Another study measured also MIP-1B but no major effect

Supplement https://insight.jci.org/articles/view/139834/sd/1

A recent Frontiers review discusses the relationship to the cytokine storm in fatal COVID-19 infection but again no isolated effect. Nevertheless I have a gut feeling from a 1995 Science paper that it could be relevant as it was identified as the major HIV-SF produced by CD8+ T cells (which are so important also in COVID-19 recovery).

Corona – die wichtigsten Videos der Woche

Beginnen wir mit dem Appell der Bundeskanzlerin “Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich, zu Hause”.

 

Dann der wichtigste Corona Experte in Deutschland “So etwas wie eine Meinung gibt es eigentlich in der Wissenschaft nicht“.

 

Ein aktueller Blick in die Schweiz (Zahlen hier) mit einem wunderbaren Musical.

 

Damit zu den Folgen im Spital Schwyz mit Prof. Reto Nüesch (Nachfolger des legendären Paul Vogt Appell).

Der nächste Tiefpunkt des Wissenschaftsjournalismus

Nach dem Skandal bei der ZEIT versucht sich nun auch der SPIEGEL daran, Wissenschaftler zu diskreditieren…

Was Frau Dipl.biol. Rafaela von Bredow und Frau Dr. med. Veronika Hackenbroch mit solchen Fragen bezwecken wollen? Quotenfrau? Volkshochschule? Quelle BILD?

 

Die Reaktion des amtierenden Leiter Wissenschaft und Technik des SPIEGEL ist genauso respektlos “fragen wird man ja wohl dürfen”.

 

 

19.12.2020

Mit reichlich langer Leitung (siehe ZEIT 27.7.20) nun auch Jörg Blech heute mit der “Frage”

 

Masks are working!

CDC recommends them, RKI also while there are still some people who raise doubts, people who are wearing either pseudo-masks or face shields.

So here is another argument by the most contagious airborne disease – measles has a secondary attack rate of >90%. Using masks should have reduced the incidence. And it did – as shown by a recent eurosurveillance.org paper

Average number of measles cases in 2010–2019 and number of measles cases in 2020 reported to TESS (ECDC) by month of statistics during the January to May measles season peaks, EU/EEA and the UK and selected countries. https://www.eurosurveillance.org/content/10.2807/1560-7917.ES.2020.25.31.2001390#abstract_content

This is fully backed by live European data http://atlas.ecdc.europa.eu

http://atlas.ecdc.europa.eu/public/index.aspx 28Sept20

Corona Infektionsprophylaxe und HEPA Raumluftfilter

(eigene Stellungnahme vom 23.9.2020)

Schwebstofffilter (HEPA = High-Efficiency Particulate Air Filter) sind Hochleistungs-Partikelfilter zur Trennung von Schwebstoffen aus der Luft. Sie zählen zu den Tiefenfiltern, die in der Tiefe des Filtermediums trennen und Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser <1 µm eliminieren wie Bakterien und Viren, Pollen, Milbeneier, -kot , Stäube, Aerosole und Rauchpartikel. Als Filter können sowohl Einmalfilter, als auch wiederverwendbare Filter eingesetzt werden. Verwendet werden HEPA Filter in hochwertigen Staubsaugern wobei der Haupteinsatz aber spezielle Luftreiniger sind, die überall dort eingesetzt werden, wo die Luft von kleinsten Schwebeteilchen gereinigt werden soll. Man findet sie fest eingebaut in Operationssälen, Intensivstationen, Reinräumen zur Chipherstellung ebenso wie in mobilen Geräten. Continue reading Corona Infektionsprophylaxe und HEPA Raumluftfilter

Translationale Forschung

Im aktuellen Laborjournal steht ein phänomenal guter Artikel zur translationalen Forschung “Von Maus zu Mensch durch das Tal des Todes

Die Translation von Ergebnissen der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung klappt nicht besonders gut. Dabei ließen sich einige schwache Glieder der Translationskette sehr leicht ersetzen. Dumm nur, dass die neuen Glieder leider nicht so recht in unser akademisches Karriere- und Fördersystem passen würden.

Tolle, lege!

Tirschenreuth III: Der RKI Report

Seit gestern ist der RKI Bericht nun online verfügbar, Luisa Hommerich (ZEIT), Thomas Scharnagl (Frankenpost) und Maximilian Gerl  / Matthias Köpf (SZ) haben bereits Kommentare dazu veröffentlicht.

Die  Aussage von Ex-Landrat Lippert “dass unsere Maßnahmen gegriffen haben, zeigt auch der Rückgang der Coronazahlen, zeitweise auf Null” ist nicht so ganz nachvollziehbar. Aber schauen wir uns an, was es an Neuigkeiten zu der Frühphase gibt. Bisher wussten wir, dass

  1. bereits 10 Fälle zur Zeit des Bierfestes in Mitterteich am 7.3. erkrankt waren. Allerdings wurde im Mittel erst nach 13 Tagen gemeldet, also nach der Inkubationszeit von 4-12 Tage.

    Die ersten 293 Fälle des LK Tirschenreuth mit Erkrankungsdatum vor dem 19.3.: Das Gesundheitsamt beginnt erst am 10.3. zu melden wobei die Melde-Intervalle immer länger werden. Der Zeitpunkt des Starkbierfestes ist mit einer vertikalen grünen Linie markiert, die Inkubationszeit von 4 bis 12 Tagen mit einer roten Linie. 74% der Fälle treten in der Inkubationszeit nach dem Starkbierfest am 7.3. auf, 16% bereits vor der Inkubationszeit des Zoigl.
  2. Der Landkreis hatte den höchsten Anstieg von allen Bierfesten in Bayern wobei es schon vor dem Bierfest eine hohe Dunkelziffer gegeben haben muss.

    Alle bayrischen Landkreise, Bierfeste sind als Punkte markiert. LK Tirschenreuth mit Mitterteich ist schwarz markiert. Stand 20.4.2020
  3. Mitterteich ist auch jetzt, mehr als 3 Monate später, immer noch der Hotspot der Region, hier gab es auch die meisten Todesfälle.
LK Tirschenreuth, Covid-19 Erkrankungsfälle, Stand 19.6.2020

 

Nun zum RKI Bericht “April-Juni 2020” von Regina Selb, Michael Brandl und Sybille Rehmet. S.10 Abbildung 4 enthält dabei bisher nicht bekannte Daten

Expositionsfakoren laut RKI Bericht “April-Juni 2020” veröffentlicht am  15.7.2020

 

Der Bericht sagt dazu

Zehn Fälle (9%) besuchten das Starkbierfest am 7.3.2020 in Mitterteich, 12 Fälle (11%) machten einen Skiurlaub in Italien oder Österreich im Februar oder März und 14 Fälle (13%) waren zu Gast beim Zoigl in Mitterteich zwischen dem 3.3. und 7.3.2020. 12 (11%) der Fälle waren zum Zeitpunkt der erneuten Befragung zu möglichen Expositionen (12.-14.05.2020) bereits verstorben … Von den 98 erneut befragten Fallen hatten 33 mindestens eine dieser drei Expositionen. Ein Zusammenspiel dieser drei Faktoren zu einem Zeitpunkt, als noch kein einziger Fall aus dem Landkreis gemeldet war, scheint wahrscheinlich als Ursache für die rasante Ausbreitung des neuen Coronavirus in der Stadt Mitterteich.

Interessant ist in dem Zusammenhang auch die Aussage des Gesundheitsamtes gegenüber der ZEIT Journalistin

Darüber habe das Gesundheitsamt keine Informationen, sagt Grillmeier. Ein Sprecher ergänzt per E-Mail: “Ob sich auf dem Fest eine bereits mit Covid-19 infizierte Person aufgehalten hat, ist bisher mehr oder weniger eine Vermutung.”

Das Gesundheitsamt weiss also angeblich von keinem einzigen Fall. Das heisst nichts anderes aks dass eine meldepflichtige Erkrankung von den Ärzten nicht gemeldet wurde oder dass das Gesundheitsamt die Meldung erstmal verschwiegen hat. Wie auch immer, Wochen später wurde die Meldung weiter gegeben. Der Bericht sagt das auch verklausuliert

Jedoch gibt es Hinweise darauf, dass zwischen Symptombeginn und Nachweis des SARS-CoV-2 Virus in Tirschenreuth mehr Zeit verging als in den Vergleichsregionen.

Man sieht auf den ersten Blick,  wie das Intervall zwischen Erkrankung und Meldung immer länger wird, am Ende sind es über 6 Wochen! Die RKI ExpertInnen meinen, dass der hohe Anteil der Fälle aus der Gemeinde Mitterteich am Ausbruchsgeschehen im Landkreis mit der Exposition in Mitterteich zusammenhängen.

Ausser dem Oberstaatsanwalt in Weiden Opf. hatte bisher daran auch niemand ernsthaft Zweifel.

Der Zoigl Kalender 16.7.2020 http://www.oppl-zoigl.de/Oppl.php

Das RKI will aber (S.11) die Ausbreitung nicht primär auf das Starkbierfest zurückführen. Ich frage mich, worauf dann? Etwa auf die Zoigl Wirtschaft, die mit wenigen Tischen vom 3.-7.3 geöffnet hatte? Einer einzelnen Wirtschaft kann man kaum viele Fälle zuordnen, solange man nicht auch die Besucherzahlen in anderen Restaurants oder in den Gottesdiensten untersucht hat. Der RKI Bericht hat also wohl nicht nur eine der Hauptinfektionsquellen übersehen, es wichtet auch die Zoigl Wirtschaft zu stark im Verhältnis zu den 1200 Personen, die am 7.3. beim Singen, Tanzen und Trinken beim Starkbierfest in der Mehrzweckhalle den Virus verbreitet haben. Das Starkbierfest passt sehr viel besser zum Zeitverlauf als die Zoigl Wirtschaft, da eine Woche darauf die meisten Fälle gemeldet wurden.

Zwei Maxima des Häufigkeitsverlaufes nach dem 7.3.. Werte vor dem 7.3. deuten auf eine Ausbreitung vor Zoigl und Bierfest. Das Maximum der Weibull Funktion wird am 8. Tag nach dem Bierfest erreicht; ca 20% der Werte liegen ausserhalb der Verteilung und machen den ersten Peak aus, der wohl der Zoigl Wirtschaft bzw anderen Faktoren zuzuordnen ist. Für die Weibull Funktion siehe Daten von https://doi.org/10.2807/1560-7917.ES.2020.25.5.2000062

 

So steht dann auch auf S.14 des Berichtes

Die deutliche Überproportionalität der Falle in der Gemeinde Mitterteich an der Gesamtfallzahl im Landkreis zu Beginn des Ausbruchs deutet darauf hin, dass die beiden Biertraditionen dort als Katalysator des Geschehens dienten.

Oder auf S.19

Der hohe Anteil an positiven SARS-CoV-2 Befunden trotz der überproportional hohen Anzahl an Testungen im Landkreis Tirschenreuth deutet auf ein großes Ausbruchsgeschehen hin.

Dem ZEIT Artikel stimme ich damit in der Wertung zu

Die Studie wirft neue Fragen zum Krisenmanagement im Landkreis auf. Denn anders als nach anderen bekannten Superspreading-Ereignissen in Deutschland stellte das örtliche Gesundheitsamt die Festbesucherinnen und -besucher von Mitterteich nicht systematisch unter Quarantäne, nachdem das Amt von den Infektionen im Zusammenhang mit dem Fest erfuhr. Das Fest wurde auch nicht als Ansteckungsherd kommuniziert. “Man kann ja nicht 1.200 Festbesucher unter Quarantäne stellen oder die alle testen lassen”, begründete Landrat Roland Grillmeier das Vorgehen gegenüber der ZEIT. Andere Landkreise taten jedoch genau das: Der Landkreis Heinsberg schickte etwa nach einer Karnevalsfeier im Februar immerhin rund 300 Besucher in Quarantäne.

Hygiene conspiracy theorists argue at trumplevel

It is quite interesting to see how the proponents of the hygiene hypothesis are reacting to the Covid-19 pandemic, citing only selected BCG and polio studies and are advising (no disinfectant of course :-) but galectin

The fact that trained immunity can be induced raises the prospect of its exploitation to raise the threshold of resistance to COVID-19 infection … Some studies have already shown that communities that still use Bacillus Calmette–Guérin (BCG) as a vaccine against tuberculosis may have lesser instances of severe COVID-19 infection than those countries that do not use BCG. This notion has been complemented by advocating the use of BCG to vaccinate persons in an attempt to protect them against COVID-19. A recent letter by HIV pioneer Bob Gallo advocated using oral polio vaccine for a similar effect. We consider that administration of galectin molecules, some of which can activate the innate immune system might also represent an approach to reduce the consequences of COVID-19 infection. It is also worth noting that galectin therapy also has the potential to reduce the severity of COVID-19 once infected.

NIH grants EY05093 and AI142862. “Microbes & Infection” has an impact factor 2,3. Published by Institute Pasteur.

Why doesn’t the NEJM retract?

In contrast to what the NYT wrote and in contrast to what the SPIEGEL reiterates today – the NEJM letter form Munich wasn’t the first description of an asymptomatic patient – this was already published one week earlier on January 24, 2020.

…one asymptomatic child (aged 10 years) had radiological ground-glass lung opacities.

The wording of the letter was immediately criticized by Kai Kupferschmidt in Science

But now, it turns out that information was wrong. The Robert Koch Institute (RKI), the German government’s public health agency, has written a letter to NEJM to set the record straight, even though it was not involved in the paper.

The NEJM tried to rescue the letter with an online supplement giving more details from another phone call to the Chinese lady, making clear that she already had symptoms taking acetaminophen. But also Drosten did not want to retract according to a transcript of the press conference.

https://www.sciencemediacenter.de/fileadmin/user_upload/Press_Briefing_Zubehoer/Transkript_Coronavirus_PressBriefing_13022020.pdf

Maybe it was a somewhat unclear situation if the index case could not be interviewed (which should have been done when writing a case report)… Clearly this wasn’t a dysfunctional social media discussion but a basic scientific question as the following RKI report in the Lancet corrected numerous details. Differences of the two reports

The NEJM Article missed patient #13 who accompanied index #0.
#0 had been well with no signs or symptoms of infection” was wrong already at time of submission.
#0 had no business meeting on 19th (also wrong according to the online supplement).
#1 symptoms on 23rd not 24th.
#2 symptoms on 25th not 24th, meeting also on 20th.
#3 symptoms on 25th not 26th, contacts with #1 only 24th.
#4 symptoms 24th not 26th, met #0 not #1.

And again the Rothe version 0:32 tells version of #1…

Tirschenreuth II: Dr. med. Peter Deinlein

Dr. med. Peter Deinlein. Geboren 1976 in Bayreuth, aufgewachsen in Kemnath, Wehrdienst in Feldkirchen, Studium in Erlangen ab 1997, 2005 promoviert.

Die Doktorarbeit ist auf Mikrofiche verfügbar, was man in der Vergangenheit oft machte, um bei belanglosen “Titelarbeiten” das Papier einzusparen. Die Zusammenfassung ist in einer deutschen Zeitschrift erschienen, geschätzter Zeitaufwand damals 4-6 Wochen, heute ca . 1-2 Wochen. Leider basiert die Veröffentlichung auf einem Zirkelschluss, denn wenn eine Hochrisikogruppe über Lymphgefäßeinbruch eines Tumors definiert wird und dann gezeigt wird, dass es just in dieser Gruppe mehr Metastasen gibt, dann ist das doch irgendwie trivial.

Wo die am Ende angesprochene “eigene, noch nicht publizierten Studie” wohl blieb? Hat sie sein Doktorvater Michael Vieth ohne ihn verwertet? Oder war sie schlicht zu uninteressant? Es eine Statistik über 218 koloraktale Karzinome, die in Bayreuth 1987-2000 diagnostiziert wurden. Die bevorzugte Darstellung sind schraffierte! 3-D! Balkendiagramme (Abbildungen 12-23). Wie das nicht kategorisierte Alter oder die nicht kategorisierte Karzinomgrösse auf Lymphknotenmetastasen im Chiquadrat Test ausgewertet wurde (S.45) bleibt schleierhaft, ebenso die grenzwertig positiven Ergebnisse der multivariaten Analyse (ohne Geschlecht im Modell, ohne ß Schätzer, nur das Intervall ist angegeben). Nirgendwo findet sich auch die AUC, die Arbeit hätte vielleicht doch jemand Korrektur lesen sollen.

Leider stimmt in der Veröffentlichung dann aber der erste Eintrag in der Tabelle des “Pathologen” nicht, Christie et al 1984 hatte 83 Fälle, nicht wie angegeben 101. Bei Morson 1984 stimmen zwar die 60 Fälle, aber nicht die 0 bei den Metastasen. Coverlizza 1989 hatte 8 statt 5 Metastasen. Völlig unklar ist auch, warum die Tabellen in Dissertation und Veröffentlichung nicht übereinstimmen? Nun ja, vergessen wir die Art von “Dissertationen”.

 

Auf das Studium folgt eine kurze Weiterbildung in einem kleinen Krankenhaus, ein Jahr chirurgische Praxis und Übernahme der Praxis seines Vaters. Neben den üblichen Landfreundschaften (Feuerwehr, Tennisclub), Geschäftstüchtigkeit (Raiffeisenbank, Architekturwettbewerb, weitere Praxis) und üblicher Funktionärslaufbahn (Bayrischer Hausärzteverband, Bezirksdelegierter Oberpfalz) ist nicht viel online heraus zu finden.

Die Beziehungen zur Politik sind gut, sogar sehr gut, der Tirschenreuther Landrat Wolfgang Lippert kommt Mitte Juni 2019 in seine Praxis. Dr. Deinlein nutzt die Gelegenheit, eine Professur für Allgemeinmedizin zu fordern

Es ist … für die gesamte Oberpfalz bedauerlich, dass die Universität Regensburg als einzige Hochschule mit medizinischer Fakultät in ganz Bayern noch keinen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin hat oder plant. Darüber hinaus müssen wir aber auch in unserem Landkreis aktiver werden und jungen Medizinern in unseren Kliniken und Praxen eine hervorragende Aus- und Weiterbildung bieten, um diese so für unsere Region zu begeistern.

Dann kommt Corona. Und alles geht schief. Damit während der aktuellen Lage auch die ambulante Arztversorgung im aktuellen Katastrophenfall sichergestellt ist, wurde in Bayern ab dem 27.3. von den Landräten sogenannte “Versorgungsärzte” eingesetzt. Versorgungsärzte sollen die ärztliche Versorgung sicherstellen, Schutzausrüstung zuteilen, Testzentren einrichten, Schwerpunktpraxen einrichten und die Politik beraten. Und Landrat Lippert wählt Deinlein. Der/die LokalreporterIn stellt dann auch gleich die richtige Frage, ob Deinlein die öffentliche Kritik an der Einführung des Versorgungsarztes verstehen kann, die ja eine Entmachtung der kassenärztlichen Vereinigung und des Gesundheitsamtes bedeutet?

Ich verstehe, dass jede Körperschaft das Heft des Handelns selbst in der Hand haben möchte. Doch das Krisenmanagement der Bayerischen Staatsregierung ist absolut richtig und die einzelnen Beschlüsse hätten keinen Tag später kommen dürfen. Die kritische Lage, in der sich unser Landkreis jetzt befindet, kann man nicht zentral steuern. Sie muss täglich vor Ort neu bewertet werden. Es liegen zu viele bürokratische Hürden zwischen Berlin und Tirschenreuth und selbst der Weg von München nach Tirschenreuth ist lang … Das persönliche Gespräch und der “kurze Dienstweg” sind unsere Stärke … Ich habe den Kollegen die Entscheidung abgenommen und für den gesamten Landkreis sieben regionale Sprecher festgelegt.

Das ist nun die zweite bemerkenswerte Tatsache, dass hier ein Arzt ohne besonderer Ausbildung in Infektionskrankheiten oder Epidemiologie weitreichende Entscheidungen trifft. Leider hat dann Tirschenreuth die meisten Todesfälle in Deutschland. Deinlein ist damit auch der Arzt, der es in die ZEIT Reportage von Luisa Hommerich schafft.

Der Versorgungsarzt von Tirschenreuth möchte nicht, dass aus dem einstündigen Telefonat mit ihm zitiert wird. Nach dem Gespräch schickt er eine E-Mail an einen Verteiler mit Ärzten aus dem Landkreis: Er droht allen, die die ZEIT bei der Spurensuche unterstützen, sie der Ärztekammer zu melden. Diese Fragen sollten “intern aufgearbeitet und geklärt werden”. Es bringe nichts, solche Angelegenheiten nach außen zu tragen – “aber so dumm sind die Oberpfälzer nicht, wir halten zusammen und klären intern auf “.

Seine Reaktion auf den ZEIT Artikel muss man zwei Mal lesen:

Außerdem habe Hommerich ihn gebeten, ihre Nummer an Covid-Patienten weiterzureichen, um so an Gesprächspartner zu kommen. “Ich hatte Bedenken, dass dies eventuell gegen die ärztliche Berufsordnung verstoßen könnte.” Deshalb habe er seine Kollegen darauf hingewiesen. Inzwischen habe er herausgefunden, dass es kein Verstoß ist, wenn man die Nummer einer Journalistin an Patienten weitergibt..

Ein Verstoß gegen die Berufsordnung? Der ehemalige Mitterteicher Bürgermeister (wir kennen ihn von dem Starkbierfest) und jetzige Landrat Grillmeier, springt Deinlein bei, nicht ganz uneigennützig:

Der Journalistin sei es um Schuldzuweisungen gegangen, sagt Grillmeier, der bis Mai Bürgermeister in der besonders betroffenen Stadt Mitterteich gewesen war. Dabei lasse sich nicht sicher sagen, weshalb der Landstrich so hart getroffen wurde. “Auch dieser Artikel wiederholt doch nur bekannte Spekulationen.” Und die Frage, weshalb ein so hoher Anteil der positiv getesteten auch verstorben sei, könne der Beitrag gar nicht erklären.

Lehrbuch der Rhetorik-Tricks: erst kommt die Unterstellung (sogenannte “moralische Argument”), dann stellt er sich dumm (“Argument aus Nichtwissen”) bevor dann endlich das Strohmann-Argument folgt (“angeblich hohe IFR”).

Wie die Arbeit von Deinlein einzuschätzen ist, steht auch auf S.23 des RKI Berichtes, wie Mitarbeiter des Heim 3 die Infektion einschleppen und damit die Todesfälle verursachen. S.19 des RKI Berichtes zeigt die chaotische Strategie des Versorgungsarztes, dem Schutzkleidung und Testmaterial ausgehen und nicht mal mehr in den Pflegeheimen getestet werden kann. Dafür werden aber “Sonderarbeitsgenehmigungen für symptomloses Personal” ohne Testergebnis ausgestellt.

Heim 3 war dabei das erste betroffene Heim. Der erste COVID-19 Fall unter den Mitarbeitenden dieses Heimes wurde am 16. März getestet und am 19.3.2020 gemeldet. Symptombeginn war am 8.3.2020 … Auf Grund der milden respiratorischen Symptomatik arbeitete der Fall noch bis zum 16.3.2020 in der Einrichtung.

Nach dem RKI Bericht hat man die Patienten nicht mal mehr in die Klinik in Weiden gebracht, da sie  bis zur Kapazitätsgrenze belegt war (und hat nicht Bayern sogar Patienten aus Italien eingeflogen?)

Ein dubioser Möchtegernprofessor mit dubioser Promotion, dem das Testmaterial ausgeht. Ärzte, die eine meldepflichtige Krankheit nicht melden und eine Praxis, die ihre Patientinnen infiziert. Ein Landrat, der einBierfest nicht absagt und dann auch noch zur Datenherausgabe verklagt werden muss, ein überfordertes Gesundheitsamt, dem auch mit zusätzlichem Personal nicht zu helfen ist wie vorgeschrieben zu melden, eine Klinik, in die nicht mehr eingewiesen werden kann, ein Staatsanwalt, der die Infektionskette leugnet, RKI Experten, die auch nicht die Quellen identifizieren – langsam wird klar “weshalb der Landstrich so hart getroffen wurde”.

Es gibt viele andere Kommunen in Bayern, die mit derselben Ausgangslage konfrontiert wurden. Es ist aber kein Zufall, daß in Tirschenreuth so viele Menschen gestorben sind.

 

Nachtrag 21.10.2022

Der geschäftstüchtige Allgemeinarzt hat wieder zugeschlagen  diesmal mit dem “Projekt: Die innovative Hausarztschmiede“.

 Inzwischen ist der Förderbescheid des Bayerischen Gesundheitsministeriums eingetroffen. 50 Prozent der 240.000 Euro Kosten in den kommenden drei Jahren werden vom Freistaat getragen. Ziel der Hausarztschmiede ist es, die ärztliche Grundversorgung sicherzustellen. Schon jetzt gäbe es zum Beispiel im östlichen Teil des Landkreises eine Unterversorgung bei den Kinderärzten, so Dr. Deinlein. Beinahe 50 Prozent der Ärzte sind zudem über 60 Jahre alt. In den kommenden sechs Monaten soll die Situation sondiert und eine Bestandsaufnahme durchgeführt werden. Anschließend geht es an die Umsetzung der Projekte. Arztpraxen sollen zum Beispiel Lehrpraxen werden. Die Gesundheitsökonomin Laura Ott soll dafür Studenten gewinnen.

und ja, Dr. med. Peter Deinlein macht jetzt auch Werbung für Fahrrad Flickzeug.

„Für mich ist das Wheelie Wrench Pro ein gut durchdachtes, sehr kompaktes, leichtes Multitool für sämtliche Abenteuer auf dem Gravelbike“, sagt Peter nach seinem Test.

Tirschenreuth I: Das Bierfest

Alle Welt redet über die Gangelt Studie, nicht zuletzt durch die mediale Begleitung. Tirschenreuth ist aber mit Abstand der wichtigste Hotspot in Deutschland. Luisa Hommerich hat in der ZEIT beschrieben, dass die Todesrate in Tirschenreuth die höchste im Bundesdurchschnitt war. Es ist im Augenblick schwer zu sagen, was wirklich in dem Landkreis Tirschenreuth passierte, solange man nicht die individuellen Kontaktdaten einsehen kann. Zitat aus der ZEIT

Und noch etwas ist seltsam: Es gab in Tirschenreuth nicht nur extrem viele Corona-Kranke – ganze elf Prozent von ihnen starben auch, obwohl die Todesrate im Bundesdurchschnitt bei nicht einmal fünf Prozent liegt.

Schauen wir also nach der CFR in Deutschland nun auch noch den Zeitverlauf der CFR für Tirschenreuth an.

Case Fatality Rate CFR, rot) definiert als kumulative Sterblichkeit innerhalb eines 7 Tage Zeitfensters das 14 Tage auf das symmetrische 7 Tagesfenster um den Indextag folgt. Fallzahlen hinterlegt in grau für den jeweiligen Indextag. Todesfälle schwarz. Loess Smoother mit span=0.5. Datenstand: RKI 4.6.2020

Die CFR geht ab dem 1.4. in ein Plateau und steigt danach sogar wieder an.  Die CFR ist dabei höher als im übrigen Bayern, wohl durch eine hohe Zahl von asymptomatisch Infizierten, weniger eine ungünstigere Überlebensrate. Nach RKI Daten ist jedenfalls die Aussage fraglich, die der neue Landrat und ehemalige Bürgermeister von Mitterteich gegenüber der ZEIT gemacht hat, dass es zum damaligen Zeitpunkt (7.3.) noch keine Corona-Fälle im Landkreis gab. Zehn Fälle gab es definitiv schon laut RKI Datensatz, ich schätze es waren 20-30 Fälle allein aus dem späteren Verlauf.

Die ersten Corona Fälle im Landkreis Tirschenreuth aus dem RKI Datensatz passen dabei besser zu der ZEIT Darstellung. Allerdings wurden weder der 50jährige “Brunner” noch der “Musiker” getestet, obwohl sie an dem Fest Symptome hatten. Zwei der bekannten 10 Fälle sind mittlerweile verstorben.

Weltweit gab es am 7.3. aber bereits 35.000 Fälle laut Worldometer, die ersten Fälle in Deutschland waren sechs Wochen zuvor aufgetreten, sicher keine harmlose Situation um noch am 7.3. zu einer “Massen-Schluckimpfung” einzuladen.

Starkbierfest Mitterteich Mitterteich war bisher mehr als Atommüll Zwischenlager bekannt als für die Brauerei Hösl  

Eigenartigerweise wurden die ersten Erkrankungsfälle des Landkreises alle erst nach dem Fest gemeldet. Der Landkreis hat 73.000 Einwohner, Mitterteich 7.000, die meisten der 1200 Teilnehmer kam aus dem Umland. Warum wurde der erste Fall im Landkreis 23 Tage lang nicht gemeldet? Und der zweite Fall auch erst 21 Tage später? Eigenartig ist die zeitliche Reihung der Meldungen von Fällen, die aber mehr oder weniger gleichzeitig aufgetreten sind. Die einschlägige Vorschrift dazu ist eigentlich klar

Die namentliche Meldung muss unverzüglich erfolgen und dem zuständigen Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden, nachdem der Meldende Kenntnis erlangt hat, vorliegen. Eine Meldung darf wegen einzelner fehlender Angaben nicht verzögert werden (vgl. § 9 Abs. 3 IfSG)….

Zum Vergleich ein anderer Zeitablauf: In München traten am 24.1. die ersten Symptome auf, drei Tage später war die erste PCR positiv, ein Tag später wurde gemeldet und am 5.3. ist der Artikel im New England Medical Journal erschienen.

Leider kam es in dem Landkreis nach offiziellen RKI Daten auch zu einem Exzess an Erkrankungen bei Frauen, zuerst ein geringerer im letzten März Drittel, und dann ein zweiter in den ersten Aprilwochen, die beide sicherlich unabhängig von dem Starkbierfest waren und trotz Ausgangssperre ab 18.3. aufgetreten sind.

RKI Daten Tirschenreuth: Signifikanter Anstieg der Inzidenz bei Frauen auch noch nach der Ausgangssperre

Es wurde also nicht nur die Fallmeldung an das Gesundheitsamt versäumt, es wurde auch noch eine Großveranstaltung erlaubt, die man zu dem Zeitpunkt nicht hätte erlauben dürfen. Und es wurde wohl in einer oder zwei Frauenarztpraxen gegen Infektionsschutzmassnahmen verstoßen, ohne dass das bis heute bekannt wäre.

Leider gibt es bisher in Deutschland kaum backward tracing wie in anderen Ländern. Was die drei RKI Experten herausgefunden haben, die ab dem 27.4. vor Ort waren, wird interessant sein. Der Bericht steht noch aus. Ich vermute, es gibt noch mehr Gründe, warum die Tirschenreuth so stark betroffen war. In Tirschenreuth lag im übrigen eine Strafanzeige gegen unbekannt vor, allerdings sagt der Oberstaatsanwalt Gerd Schäfer der lokalen Tageszeitung am 16.4.

“Die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer Infektion auf dem Starkbierfest in Mitterteich reicht nicht zur Begründung dieses strafrechtlichen Vorwurfs einer fahrlässigen Körperverletzung aus”, erklärt Schäfer. Es gebe keine sicheren Erkenntnisse über eine solche Infektion.”

Ob die Vorfälle strafrechtlich relevant sind, sei dahingestellt, die Begründung ist sicher falsch. Es gab mehrere infizierte Teilnehmer auf dem Fest und im Anschluss daran gab es den  höchsten Anstieg an Infektionen in Bayern.

Mit der üblichen Ermittlungsmethoden (die auch sonst an Tatorten üblich sind) hätte man die Infektionskette zweifelsfrei nachweisen können und zwar in unter 24 Stunden. Auch hätte man alle Festteilnehmer am 8.3. oder 9.3. unter Quarantäne stellen können. Man hätte nur wollen müssen. Und nicht erst am 18.3. eine Ausgangssperre verhängen dürfen als bereits 15 Patienten im Krankenhaus lagen.

Nachtrag 6.6.2020

Coronasterblichkeit in den Bundesländern

Teil 1 von 4 Beiträgen zu CFR

Hier kommt ein Plot der Case Fatality Ratio nach Bundesländern. Warum sinkt eigentlich die CFR, obwohl der Virus doch überall gleich tödlich ist?

Infection Fatality Ratio (IFR, rot) definiert als kumulative Sterblichkeit innerhalb eines 7 Tage Zeitfensters das 14 Tage auf das 7 Tagesfenster der Meldung um den Indextag folgt. Fallzahlen hinterlegt in grau für den jeweiligen Indextag. Sliding Window mit Loess Smoother span=0.5. Für Definitionen siehe https://www.heise.de/newsticker/meldung/Zahlen-bitte-3-4-Coronavirus-Fallsterblichkeit-False-Number-4679338.html bzw https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html Datenstand: RKI 4.6.2020

Am Anfang der Pandemie waren die bestätigten Fälle selten, da nur begrenzt PCR Tests zur Verfügung standen, die CFR wird also massiv überschätzt. Dann steigt die Zahl der durchgeführten Tests, am Ende der Epidemie geht die CFR wieder herunter, da es auch keine Sterbefälle mehr gibt.

In dem Verlauf zwischen dem 15.3. und 15.4. könnten allerdings auch “echte” Faktoren eine Rolle spielen, etwa eine Lernkurve in den Kliniken, dass Patienten besser behandelt werden. Es könnte aber auch ein positiver Effekt durch die Maske sein, dass zum Beispiel Infektionen mit geringeren Virusmengen weniger tödlich verlaufen. Oder als ein weiterer positiver Effekt, dass durch Kontaktbeschränkung weniger Gefahr durch Super Spreader droht.

Was davon stimmt, kann nur über neue Studien herausgefunden werden. Der Zeitverlauf zeigt jedenfalls, dass man die CFR sinnvollerweise erst am Ende einer Pandemie bestimmt.

Schauen wir uns noch einen Plot der Mortalität in den Landkreisen an.

Mortalitätskurven (rot) definiert als kumulative Sterblichkeit innerhalb eines 7 Tage Zeitfensters um den Indextag bezogen auf 1000 Einwohner des jeweiligen Land-/Stadtkreises. 412 Kreise wurden dafür ausgewertet. Rot zeigt die jeweiligen Spitzenreiter des Bundeslandes an. Datenstand: RKI 4.6.2020.

Am stärksten betroffen sind Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein Westfalen, wobei bei den Landkreisen aber nicht Gangelt/Heinsberg sondern Mitterteich/Tirschenreuth den Spitzenplatz einnimmt.