https://twitter.com/FrankfurtZack/status/1586741101322444801full thread https://archive.ph/Ewhyg
Medizinische Entscheidungen wurden schon immer triagiert, am häufigsten natürlich nach Schweregrad der Erkrankung und wahrscheinlichem Behandlungserfolg. Triageregeln sind immer mit Unrecht verbunden, es ist kein unverrückbares Regelwerk, höchstens ein Mittel der Schadensbegrenzung. Der wichtigste Konflikt liegt meiner Meinung nach in dem utilitaristischen Bestreben möglichst vielen Menschen zu helfen sowie dem “egalitär deontologischen Aspekt des Hilfe möglichst gerecht verteilen” (Franz-Josef Bormann).
Ein Triage nach Ursache, selbstverschuldet oder nicht, wurde aber von allen deutschen Medizinethikern unisono abgelehnt. So zuletzt auch wieder die Ethikratsvorsitzende
So schwer das für die Betroffenen ist: Lebensrettende Maßnahmen vorzuenthalten, weil der Zustand vermeidbar gewesen wäre, widerspricht wichtigen ethischen Prinzipien der Medizin.
Es wird allerdings nicht klar, was denn nun das wirklich vorrangige ethische Prinzip hist. Und vor allem – so die ZEIT – findet die Triage im Stillen statt. Es spricht nicht für ein vorrangiges medizinethisches Prinzip wenn dann individuell im Stillen entschieden wird. Vielleicht ist die stille Entscheidung gar nicht so schlecht?
Zurück zu den Kriterien. Warum sollten Patienten in der Chirurgie mit Tumoren nach Hause geschickt werden weil zusätzliche internistische Beatmungsbetten für Impfgegner gebraucht werden? Ist das gerecht? Warum es nicht bei der Kontingentierung von Betten wie in “Friedenszeiten” lassen? Wohlgemerkt wir sind in der 4. Welle wo primär die Impfgegner nun die Beatmung brauchen, nicht die Ungeimpften der 1. Welle.
Die Ursache zu ignorieren, ignoriert die Autonomie der Impfgegner, die sich bewusst und in Kenntnis der möglichen Konsequenz gegen eine Impfung entschieden haben. Wenn dann Georg Marckmann als Vorsitzender der Akademie für Ethik in der Medizin meint
Erstens sei im Einzelfall in der Regel nicht hinreichend sicher nachzuweisen, dass die Erkrankung ursächlich auf ein gesundheitsschädigendes Verhalten des Patienten zurückzuführen ist. Zweitens beruhe das Verhalten häufig nicht auf einer freien, selbstbestimmten und damit selbst zu verantwortenden Entscheidung. Drittens fehlen allgemein akzeptierte Standards, für welche selbst verursachten und frei gewählten gesundheitsgefährdenden Handlungen der Einzelne in welchem Ausmaß Verantwortung tragen soll.
so ist kein einziger stichhaltiger Einwand dabei.
Erstens. Gerade bei COVID-19 ist auch im Einzelfall über den Impfpass die schwere intensivpflichtige Infektion auf die fehlenden Impfung zurückzuführen (vgl auch RKI Report S.23). Ein Argument mit Verweis auf den Einzelfall ist zudem immer ein schwaches Argument.
Zu zweitens. Die Entscheidung der Impfverweigerung ist unstrittig freiwillig und selbstbestimmt, auch wenn sie auf fehlgeleiteten Ratschlägen von Angehörigen (oder dubiosen Ärzten) beruht. Es fehlt bei der Aussage im übrigen das beweiskräftige Argument, die Behauptung einer nicht verantwortenden Entscheidung steht im luftleeren Raum. Keine Verantwortung für die Folgen haben bei Fehlinformation? Vgl Tatbestandsirrtum mit dem Verhalten von Impfgegnern
Statt sich „zu wenig“ vorzustellen, stellt er sich ein „Zuviel“ vor. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten umgekehrten Tatbestandsirrtum, der als untauglicher Versuch der Versuchsstrafbarkeit unterfällt.
Drittens. Natürlich gibt es Standards etwa Empfehlungen der STIKO. Auch wenn sie rechtlich nicht bindend sind, entscheiden Gesundheitsbehörden danach zB bei Entschädigungsfragen. Das Argument der Beliebigkeit von Standards, wen wundert es, ist auch nur ein Strohmann Argument. Wir reden hier nicht über Adipositas oder Fallschirmspringen, sondern über die konkrete Situation von COVID-19 bei Impfgegnern..
Wir halten fest: Sich nicht impfen zu lassen trotz der vielen Appelle ist damit eine Art biologische Patientenverfügung, die implizit und – in einigen Fällen auch explizit – die Verzichterklärung auf intensivmedizinische Massnahmen beinhaltet. Theologen kennen dies im übrigen schon lange als Tun-Ergehen-Zusammenhang, Ethik ist eben doch ein junges Fach.
Interessanterweise betont nun auch eine Juristin die individuelle Verantwortung der individuellen Entscheidung, so Tatjana Hörnle vor einer Woche “Warum der Impfstatus bei der Corona-Triage doch eine Rolle spielen darf” – immer vorausgesetzt natürlich, wir haben eine extreme Ressourcenknappheit.
Mein Argument, warum der Impfstatus kein von vornherein unzulässiges Kriterium ist, behält den Bezug zu betroffenen Individuen. Es geht hier nicht um utilitaristisch zu begründende Gesamtnutzenmaximierung. Dies ist deshalb zu betonen, weil Weyma Lübbe in einem Beitrag zum Verfassungsblog auf utilitaristische Modelle eingeht, die aggregierte Effekte hervorheben, d.h. die größere Zahl rettbarer Leben, wenn Intensivstationen nicht Patienten mit erwartbar langer Behandlungsdauer aufnehmen … Eine rationale Begründung für unabwendbare Priorisierungsentscheidungen ist, dass eine entscheidungsfähige, volljährige Person wesentlich oder gar ausschließlich durch eigenes Verhalten ihre Notlage verursacht hat.
Die Impfentscheidung sollte natürlich nicht das einzige und auch nicht das vorrangige Kriterium bei der Triage sein. Ich meine aber, der Impfstatus sollte mit in die Entscheidung mit einfliessen — also Veto zu Uwe Janssens (Leiter der Arbeitsgruppe Ethik in der DIVI) und Alena Buyx (Vorsitzende des Ethikrates). Es wird spannend werden, was denn nun das Bundesverfassungsgericht in 5 Tagen dazu sagen wird, insbesondere weil Behindertenverbände gegen die Regeln geklagt haben, die für sie natürlich ein Nachteil darstellen.
Nachtrag 29.12.21
Der erste Senat hat entschieden
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass der Gesetzgeber Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verletzt hat, weil er es unterlassen hat, Vorkehrungen zu treffen, damit niemand wegen einer Behinderung bei der Zuteilung überlebenswichtiger, nicht für alle zur Verfügung stehenden intensivmedizinischer Behandlungsressourcen benachteiligt wird.
Ich interpretiere das so, dass der Behandlungserfolg nicht das einzige Kriterium sein kann wie von der DIVI gefordert. Und es steht ja auch explizit da
Dieses Risiko wird auch durch die fachlichen Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) für intensivmedizinische Entscheidungen bei pandemiebedingter Knappheit nicht beseitigt. Die Empfehlungen sind rechtlich nicht verbindlich und auch kein Synonym für den medizinischen Standard im Fachrecht, sondern nur ein Indiz für diesen.
Es ist nun also das zweite große Ethik Fiasko der DIVI nach ihrer Weigerung klinische Daten zu erfassen (“wir behandeln schwerkranke Menschen – alles andere ist für uns unerheblich! Geschlecht, Herkunft, sozialer Status: Das interessiert uns nicht”) oder die Daten zur Auswertung zur Verfügung zu stellen. Unvergessen sind auch die wissenschaftlichen DIVI Flops, etwa bei den Leitlinien oder der Auswertung.
Da das BVerfG nicht genau sagt, welche Form der Diskriminierung nun verboten ist, und wie die Diskriminierung praktisch verhindert werden soll, steht der Gesetzgeber vor einer nahezu unlösbaren Aufgabe. Dazu kommt dass die immer weiter ausufernde Verrechtlichung und Bürokratisierung der medizinischen Versorgung mehr schadet als nützt.
Nachtrag 4.1.22
Prantl, wie so häufig in der Pandemie, ergeht sich in schönen aber leeren Sätzen, denen man nicht widersprechen kann. Sie gehen aber komplett an der Realität vorbei, solange sie keine Alternativen anbieten.
Nein, der Wert eines Lebens kann und darf nicht gemessen werden. Nein, die medizinische Behandlung darf nicht vom Lebenswandel des Kranken abhängig gemacht werden. Nein, das Lebensrecht darf nicht von politischen Einstellungen des Kranken oder von sonstigen utilitaristischen Erwägungen abhängig gemacht werden. Nein, das Krankenhaus darf kein Ort werden, an dem Sanktionen vollzogen werden.
nachdenkseiten bezichtigt die DIVI Reports zur Intensivbelegung der “kreativen Buchführung“. Dabei sind die nachdenkseiten nicht unumstritten: Lausen tritt mit Bhakdi auch auf kenFm auf.
Die vielfachen Änderungen der DIVI Datenbank sind bekannt (seit kurzem ist auch das Alter der Patienten verfügbar – ein Jahr nach Inbetriebnahme…). Wir kennen die DIVI Fehler in der Darstellung , auch dass sich Verordnungen zur Bettenausweisungen mehrfach geändert haben, Notfallreservekapazitäten separat , Kinder ein- oder ausgeschlossen, alles nichts Neues. Es geht hier ja nicht um eine statische Bettenzahl sondern es ist oft auch die Personalsituation, die sich kurzfristig ändern kann. Und wenn in Rosenheim dringend Betten gesucht werden, ist das Bett in Kiel irrelevant. Ganz abgesehen davon, dass die sogenannte weiche Triage auch schon vor der Vollbelegung einsetzt.
Ob die Bettenzahlen nun willkürlich den aktuellen Infektionszahlen angepasst werden? Schauen wir uns an ob das wirklich bei „sehr vielen Krankenhäusern“ zu beobachten war und in den genannten Städten.
Als Beispiele nannte er Leipzig, Bottrop, Goslar, Starnberg und Eisenach. Eindrücklich demonstriert er am Fall einer Klinik in Pinneberg, wie der „Bedarf“ an Betten je nach Belegungsumfang flexibel und „nach Belieben“ hoch und runter geregelt wurde …
Hier also nun eine Korrelationsanalyse von Intensivbetten und COVID Patienten auf Kreisebene wobei nur die 50 höchsten Korrelationen gezeigt werden.
Neben diversen Artefakten sehe ich einige lineare Anstiege, etwa Landshut, Tirschenreuth oder Lahn-Dill Kreis. Die Regionen Leipzig, Bottrop, Goslar, Starnberg, Eisenach und Pinneberg sind hier allerdings nicht dabei. Auch ist die Verteilung der R Werte nur etwas nach links aber ansonsten nicht zu den Extremwerten verschoben.
Es gibt somit einige wenige dubiose aber keine systematisch falsche Meldung. Die nachdenkseiten betreiben die klassische Legendenbildung um einen wahren Sachverhalt herum – wie auch sonst in der der Corona Leugner Szene üblich.
Die DIVI Datenbank ist sowieso nur begrenzt zur Pandemiesteuerung geeignet. Es ist ja nicht das Ziel die Intensivstationen bis zu einem gewissen Grad zu belegen, sondern möglichst jede Infektionskette zu unterbrechen.
P.S. Es wird auch nicht intelligenter wenn @luebberding (WELT) das nun am 14.5. nachdruckt und Antes es am 15.5. auf Twitter teilt. Ob es wirklich zu #divigate reicht, was die selbsternannte Autorengruppe um Matthias Schrappe in ihrer 3. Ad Hoc Stellungnahme am 16.5. meinen? Die Truppe beklagt sich über fehlende Daten aber schliesst dann daraus welche Daten falsch sind …
Seit Beginn der Pandemie ist es ein strittiges Thema, ab wann intubiert wird, da mit der mechanischen Beatmung auch das Risiko enorm steigt, an COVID-19 zu sterben.
Mit den aktuellen Behandlungsempfehlungen sollte – solange es keine Triagesituation gibt – die Häufigkeit der Beatmung unabhängig von der Zahl der Neuinfektionen sein. Dem ist aber leider nicht so, wenn wir die tageweise Korrelation von DIVI und RKI Meldungen über die letzten 5 Monate ansehen. Zu Beginn der zweiten Welle, gab es noch keinen Überhang von bereits länger liegenden Patienten, es lagen also pro Neuerkrankten weniger Patienten auf der Intensivstation – die jeweils untere Punktreihe etwa bis zur Mitte der Grafik unten.
Mittlerweile sind die Patienten aber jünger, gesünder und liegen länger, daher die jeweils obere Punktreihe. Was dazu auffällt, dass immer weniger Patienten auf der Intensivstation beatmet werden gemessen an Zahl der Intensivpatienten in Deutschland. Wie die Epidemiologie zu interpretieren ist, kann nur anhand klinischer Daten entschieden werden.
Ich vermute aber, es liegt nicht an den Patienten, da im Augenblick im Bereich von 20.000 – 25.000 relativ stabile Infektionsraten in einer relativ stabilen Ausgangspopulation auf relativ stabile Intensivversorgung trifft. Ich vermute es liegt daran, dass bei nahezu vollen Intensivstationen und nur begrenzt verfügbarem Personal die Entscheidung zur Beatmung später fällt und wovon Patienten profitieren.
The COVID-19 disease burden in Germany in 2020—years of life lost to death and disease over the course of the pandemic
Dtsch Arztebl Int 2021; 118: 145-51; DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0147
Schilling J, Lehfeld A-S, Schumacher D et al. Krankheitsschwere der ersten COVID-19-Welle in Deutschland basierend auf den Meldungen gemäß Infektionsschutzgesetz. https://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/JoHM_S11_2020_Krankheitsschwere_COVID_19.html
Roedl K, Jarczak D, Thasler L et al. Mechanical ventilation and mortality among 223 critically ill patients with coronavirus disease 2019: A multicentric study in Germany. Australian Critical Care. 2020
Rieg S, Cube M von, Kalbhenn J, Utzolino S, Pernice K, Bechet L, et al: COVID-19 in-hospital mortality and mode of death in a dynamic and non-restricted tertiary care model in Germany. medRxiv 2020. https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.07.22.20160127v1
Karagiannidis C, Mostert C, Hentschker C, Voshaar T, Malzahn J, Schillinger G, et al: Case characteristics, resource use, and outcomes of 10 021 patients with COVID-19 admitted to 920 German hospitals: an observational study. The Lancet Respiratory Medicine 2020;8:853–862
Nachtigall I, Lenga P, Jóźwiak K, Thürmann P, Meier-Hellmann A, Kuhlen R, et al: Clinical course and factors associated with outcomes among 1904 patients hospitalized with COVID-19 in Germany: an observational study. Clinical Microbiology and Infection 2020. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1198743X20304936
Lancet Respir Med. 2021 Mar 5:S2213-2600(21)00101-6. doi: Observational study of changes in utilization and outcomes in non-invasive ventilation in COVID-19
Christian Karagiannidis, Corinna Hentschker, Michael Westhoff, Steffen Weber-Carstens, Uwe Janssens, Stefan Kluge, Michael Pfeifer, Claudia Spies, Tobias Welte, Rolf Rossaint, Carina Mostert, Wolfram Windisch
doi: https://doi.org/10.1101/2021.03.28.21254477
J. Schüttler, J.M. Mang, L.A. Kapsner, S.A. Seuchter, H. Binder, D. Zöller, O. Kohlbacher, M. Boeker, K. Zacharowski, G. Rohde, J. Balig, M.O. Kampf, R. Röhrig, H.-U. Prokosch
Letalität von Patienten mit COVID-19: Untersuchungen zu Ursachen und Dynamik an deutschen Universitätsklinika. https://www.ai-online.info/online-first/letalitaet-von-patienten-mit-covid-19-untersuchungen-zu-ursachen-und-dynamik-an-deutschen-universitaetsklinika.html
Jürgen Klauber · Jürgen Wasem Andreas Beivers · Carina Mostert (Hrsg). Krankenhaus 2021. Report S. 296
Leider ist fast nichts von meiner früheren Kritik an der S2 Leitlinie in die Änderung eingegangen.
Textunterschiede sind auf https://draftable.com/compare/hYlCJnJHcxXm und Literaturunterschiede auf https://draftable.com/compare/PridZkDctdoA zu sehen. Zitat aus der revidierten Leitlinie
Daten aus Vorteilen bzw Risiken einer invasiven Beatmung versus einer möglichst ausgedehnten NIV- Therapie bei COVID-19 Patienten fehlen bisher. Bisher publizierte kleinere Kohortenstudien wiesen in Bezug auf die berichteten Endpunkte ein hohes Risiko für Bias auf. Außerdem muss die Evidenz als indirekt bewertet werden, weil keine RCTs mit definierter Interventions- und Kontrollgruppe eingeschlossen werden konnten, sondern bei klinischer Verschlechterung von einem hohen Cross-over vom NIV- in den IMV-Arm ausgegangen werden muss. Aus der systematischen Recherche wurden für diese Leitlinie retrospektive Studien aus dem Review von Schünemann et al., sowie den nachfolgenden Updates einbezogen, deren Aussagesicherheit zum Vergleich NIV – Invasive Beatmung sehr schwach ist (74, 75). Zusätzlich haben die Autoren neuere und größere Fallserien berücksichtigt (76-85) die allerdings die Aussagesicherheit der Evidenz nicht ändern, jedoch die Vergrößerung des Erfahrungswissens deutlich machen.
Der Hauptautor der Leitlinie verschweigt seine eigenen, eigentlich katastrophal schlechten Ergebnisse (https://www.australiancriticalcare.com/article/S1036-7314(20)30334-9/fulltext) und unterschlägt zudem kritische Meinungen, etwa von Tobin im ERJ (dort auch noch weitere Studien, die alle keinen Eingang in die Leitlinie gefunden haben).
Es sterben doppelt so viele Patienten an COVID-19 in Hamburg als in München. Wir wissen auch warum (“Erfahrungswissen”) “Absence of evidence is not evidence of absence“. Ist denn dieser Satz so schwierig zu verstehen?
Kaum zu glauben: Die Autoren der Leitlinie haben im letzten Jahr trotz Millionenförderung sowohl eine DIVI Registerstudie als auch ein neues RCT zur NIV abgelehnt und beklagen jetzt ernsthaft, dass es kein RCT gibt.
EbM hat mittlerweile religiös-sektiererische Züge angenommen, ganz offen an dem ebm Netzwerk zu sehen. Leider hat nun auch die AWMF ein grösseres Problem.
Sehen wir uns den Verlauf der an das RKI gemeldeten Fälle (grau), Todesfälle (rot) sowie in blau die Case Fatality Ratio oder Fall-Verstorbenen-Anteil und zwar als “verzögerungsbereinigter Fall-Verstorbenen-Anteil”, in dem in einem Verschiebefenster die Fälle plus / minus 3 Tage um den Indextag mit den Todesfällen an Tag 14 plus / minus 3 Tage korreliert werden. Im ersten Märzdrittel ist die CFR stabil in München; über den gesamten Zeitraum beträgt sie 219/6526=3.4%.
Im Vergleich dazu nun Hamburg. Hier ist die CFR im selben Zeitraum mit 264/5090=5.2% höher und hat zusätzlich noch einen Peak im letzten Märzdrittel.
Das Sterberisiko ist in der Gesamtpopulation signifikant höher in Hamburg mit einem OR von 1.6 (1.3-1.9). Schauen wir uns daher auch noch die Alters- und Geschlechtsverteilung der Verstorbenen an.
In Hamburg versterben in allen Altersklassen mehr Menschen. Aus technischen Gründen kann ich leider nicht für Alter und Geschlecht adjustieren weil in den RKI Meldedaten nach IfSchG Todesfall und Erkrankungsfall auf unterschiedlichen Zeilen stehen.
Wie sieht es auf Intensivstationen aus? Nach den klinischen Studien von Kluge (Hamburg) und den Angaben von Wendtner (München) wurden in Hamburg 996 und in München 1300 Patienten hospitalisiert. Hamburg hat davon 261 Patienten auf die Intensivstation verlegt, München 270.
Von 223 Fällen auf der Intensivstation in Hamburg starben 78, also 35%. Bei 261 Fällen gesamt waren es damit hochgerechnet ca 91 Todesfälle. In München starben 28% also 76 Menschen. Hamburg behandelte somit signifikant mehr Patienten auf der Intensivstation (OR 1.4, P=0.002). Auf der Intensivstation sterben mehr Patienten als in München (ebenfalls OR 1.4, P=0.09) damit ergibt sich ein gepooltes Mantel-Haenszel OR von 1.6 ( 1.2-2.2, P=0.003) in der Klinik.
Dass bei der Auswertung der klinischen Daten nun exakt dasselbe Ergebnis herauskommt wie in den populationsbasierten RKI Daten belegt meiner Ansicht nach, dass die CFR von der klinischen Versorgung bestimmt wird.
Das wird zwar bisher von den Intensivmedizinern vehement bestritten, ist aber nachvollziehbar da nach RKI Angaben deutschlandweit 73% der Infektionsfälle hospitalisiert werden.
Was macht Hamburg nur anders als München? Ich vermute die Behandlung ist etwas unterschiedlich.