Natürlich sieht ein MF Print anders aus als ein Kleinbild Print.
Etwas Psychologie ist natürlich auch dabei, keine Frage “Leica Glow”, “Hasselblad Look”, “liquid color”, “3D” oder “Zeiss Pop”. Ich versuche hier, meine eigenen Eindrücke wiederzugeben und weniger die bestehende Diskussion zusammenzufassen. Anschauliche Beispiele gibt es auf flickriver.com, bei Nasir Hamid, dem Portfolio von Eric Schwabel, dem D800E/H4D Vergleich von photigy, photoscala oder petapixel. Foren, die sich mit dem Thema beschäftigt haben, sind die fc aber auch nikon-fotografie.
Vorneweg – der MF Look ist wohl primär ein Film-Look, deswegen ist eine wirklich sinnvolle Antwort nicht möglich. Film hat unschlagbare Vorteile vom Kontrastumfang und Farbwiedergabe, Licht wird auf Film nicht linear wie auf einem Sensor umgesetzt. Die Kornstruktur des Films trägt massgeblich zur Bildwirkung bei. MF Sensoren haben zwar auch keinen Tiefpassfilter aber erst neuere KB Sensoren kommen ohne die doch sehr regelmässige Bayes Pixelanordnung aus. Filter- Presets (ACR, Nik, Lightroom) können das nicht leisten. Gut gemeint, aber eben nur gut gemeint.
Die Frage nach dem MF Look ist wohl deshalb so en vogue, weil sich nicht jeder Fotograf eine MF Ausrüstung leisten kann aber trotzdem diesen “professionellen” MF Look will. Leider wird das aber physikalisch nur begrenzt gehen, die 6 micron Pixel des MF mit den 4.7 micron des KB einfach mal so zu tauschen. Genauso wie man die Korrektur stürzender Linien in Photoshop niemals so perfekt ausführen kann wie mit der Tilt/Shift Verstellung einer Großformat Kamera. Dazu ist der Blickwinkels anders, oder anders gesagt, was nicht an Pixel aufgezeichnet wurde, das gibt es dann auch nicht, von den Verlusten durch die elektronische Korrektur mal abgesehen.
Allerdings kann man mit einigen Tricks einen gewissen MF Look erreichen, der nur unter professionellen (Labor-)Bedingungen zu erkennen ist. Es rentiert sich also durchaus, der Versuch einer “Dekomposition”, was denn ein typische MF Bild ausmacht. Ich versuche es anhand von 6 Kriterien.
1. Auflösung, Format: MF ist traditionell eher quadratisch 6×6 oft auch 6×4.5 oder 6×9. Und natürlich gehört auch die höhere Auflösung dazu. Mit einem sehr kleinen Sensor wird also kaum ein MF Look möglich sein. Die 36 Megapixel der D800 oder die 22 Megapixel der 5D Mark III sind hilfreich, auch wenn das Bild später herunterskaliert wird.
2. Tiefenschärfe, Schärfeübergang: Mit grösserem Sensorformat muß die Brennweite länger sein, um den Bildwinkel beizubehalten. Mit der grösseren Brennweite (und konstanter Belichtung) ist aber die Schärfentiefe geringer. Die Bildwirkung ist durch die längere Brennweite auch näher am Objekt “dran” so dass es etwas komprimierter erscheint. Die geringe Tiefenschärfe bei den MF Objektiven verblüfft mich jedenfalls immer wieder. Was fast noch wichtiger ist , das dürfte der Übergang von Schärfe in Unschärfe sein. Das lässt sich, wenn überhaupt nur mit extrem lichtstarken Optiken wie dem Nikkor Noct bewerkstelligen. “Billigere” Optiken werden offen nur weicher und behalten nicht die Schärfe und den Kontrast wie die relativ großen MF Optiken. (interessant ist auch die Brenizer Methode bei der mehrere Bilder mit Teleoptik und geringer Tiefenschärfe zu einem weitwinkligen Bild zusammengesetzt werden).
3. Lokaler Kontrast, Mikrokontrast, Kontrastübergang: Es ist ein verwandtes Phänomen wie bei der Tiefenschärfe, daß der MF Kontrast auch als samtartig beschrieben wird. Die Farben sind etwas entsättigt, der Hintergrund ist etwas heller. Vielleicht können auch die 14 Bit der KB Sensoren die Farbabstufungen nicht so gut abbilden wie die 16 Bit der MF Sensoren. Dazu kommt oft noch eine minimale Vignettierung, die vielleicht aber auch durch den etwas “irregulären” Strahlengang der älteren MF Optiken bedingt ist, der unsere Sehgewohnheiten geprägt hat. Der wichtigste Punkt scheint mir eine Kombination aus 3. und 4. zu sein, nämlich ein sehr hohes Kontrastverhalten in einem relativ engem Schärfebereich. Leica / Zeiss und zum Teil auch Minolta versuchen eine optimalen Balance zwischen Kontrast im Schärfebereich und dem allgemeinem Kontrast zu erreichen. Also höchste MTF-Werte für 60 lp/mm im bildrelevanten Bereich und allenfalls 30 lp/mm im Rest. Wobei ich mir allerdings nicht völlig sicher bin.
4. Objektive: Der MF Look kommt fast nur bei leichtem Weitwinkel- oder Normalbrennweite (50mm im KB) zustande, praktisch nie im Telebereich.
5. Aufnahmetechnik und Komposition: Die Kameraperspektive in Brustperspektive ist typisch für das MF und geht auf die früher üblichen Lichtschachtsucher zurück. Und keine Frage, eine gute Komposition mit Staffelung in den Hintergrund ist neben der Tiefenschärfe und der Farbabstufung der drittwichtigste Punkt. Vielleicht wollen viele “Amateure” so gerne diesen Look, da er immer das Kennzeichen erfahrener Fotografen war.
6. Helligkeit und Empfindlichkeit: Filme rangieren mehr im 25-400 ISO Bereich, KB Sensoren im Bereich ab ISO 100 nahezu beliebig aufwärts während MF CCD Sensoren oberhalb ISO 400 nur noch begrenzt brauchbar sind. ISO 100 wäre daher wohl ein optimaler Kompromiss, v.a. für die Schärfe. Ausserdem sind wohl die meisten MF Bilder früher im Freien unter sehr guten Lichtverhältnissen gemacht worden, also F1.4, 1/3000sec, und ISO 100 mit ND4-Filter.
7. Lichtqualität: Eher (Wolken-)streulicht als gerichtetes Licht, gleichmässig verteilt.
Es lassen sich also doch einige Gesichtspunkte ableiten, was den MF Look ausmacht. Im A4 Format lässt sich jedenfalls oft nicht raten, welche Technik hinter einer Aufnahme steckt, vor allem, wenn die Bilder von Leitz oder Zeiss Glas abstammen. Aber letztendlich gilt eben doch, wer Mittelformat Bilder will, muss auf Mittelformat fotografieren.
Interessant, dass mein Kommentar bei dem Krolop Video nicht frei gegeben wurde. Dabei habe ich nur angemerkt
Ich hätte mir mehr erwartet unter dem Thema Mittelformat Look als die ermüdende Aufzählung von Sensorgrössen und Brennweiten. Vielleicht wäre es deshalb besser gewesen von MF Bildeindruck zu reden? Denn es geht hier hier nicht um MF (wobei ich das “digitale Schrumpf MF” überhaupt nicht in die Klasse zählen würde) sondern es geht um den Look, der natürlich auch mit anderen Sensorformaten erzeugt werden kann. MF Look Bilder könnte man auch mit Pinsel malen wenn man Perspektive, Kompression, Freistellung, Kontraste, Farben, Format etc verstanden hätte. Wenn man aber glaubt, es ginge nur um Freistellung, dann bekommt man nicht mal mit einer MF Kamera den Look hin.
Noch ein gelungenes Beispiel? Aber gern: Chris Noltekuhlmann.