Es gab erstaunlich gut gemachte visuelle Kommunikation lange vor Twitter (*2006) und Whatsapp (*2009), um genau zu sein im Jahr 1898.
Hier ist ein Beispiel aus meinem Archiv von Fahrradpostkarten — eine Ansichtskarte an Frl. (Fräulein) Joh. (Johanna) Kielmann p.a. (per addresse) Herrn Eduard Kock in Bigge b/ (bei) Olsberg i/ (im) Sauerland. Abgesandt wurde die Karte von einer Frau Maria Spielmans aus Rees am Niederrhein, 150 km nördlich gelegen. Die Laufzeit betrug ein Tag, nämlich vom 28. auf den 29.5.1898, die Kosten beliefen sich auf 5 Pfennig Reichspost, ich entziffere “Frdl. (Freundlichen) Gruß und besten Dank sendet dir, liebe Johanna, deine dich liebende (?) Maria Spielmans. Rees.”
(in Privatbesitz)
Interessant ist dabei vor allem die Chromolithografie von Hans Kley auf der Vorderseite — mit Imprint “Radfahrpostkarten” gedruckt von Edm. (Edmund) von König in Heidelberg. Der Zeichner Heinrich Kley (* 15.4.1863 in Karlsruhe, + 8.2.1945 in München) ist bekannt für seine Industriezeichnungen, aber auch seine langjährige Mitarbeit am Simplicissimus in München. Walt Disney hatte eine große Sammlung von Kley Motiven und diese Inspiration auch nie abgestritten.
Das Radfahrmotiv stammt aus der Karlsruher Zeit Kleys, als der 35jährige noch nicht bekannt war und sich mit Aquarellen von Stadtansichten über Wasser zu halten versuchte. Das Motiv ist auch nicht weit her geholt, datiert doch die Erfindung des Fahrrads just 70 Jahre früher in diese Gegend als Drais von Schwetzingen nach Rheinau fuhr, also zwischen Karlsruhe, der Geburtsstadt von Kley und Heidelberg, dem Sitz der Hof-Kunsthandlung König welche die Kartenserie gedruckt hat.
Die farbige Aquarell/Federzeichnung zeigt eine Familie, Vater, Mutter, zwei Kinder und Hausmädchen mit Kleinkind, alle auf eigenen Fahrrädern beim gemütlichen Sonntagsausflug mit Wind und Sonnenschein. Bemerkenswert sind die Fahrrad Kindergrössen. Und besonders schön ist das Lastenrad, das dem 1886 Benz Patent-Motorwagen 1 von der Form nicht unähnlich ist. Ich kenne jedenfalls keine frühere Darstellung eines Kinderrades.
Ob man unsere Tweets heute auch in 117 Jahren noch so interessant finden wird?