Bisher, war es eigentlich so, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Zivilgerichte dem Kunsturhebergesetz nach § 1 Abs. 3 BDSG Vorrang gegenüber dem Datenschutz zukommt. Das Bundesarbeitsgericht hat dabei entschieden, dass nur im Arbeitsleben eine Einwilligung in die Veröffentlichung von Bildern schriftlich erfolgen muss. Mit der neuen DSGVO scheint sich das nun zu ändern. RA Lars Rieck fasst die Änderungen in einem detaillierten Beitrag zusammen.
Die Anfertigung und Nutzung von Aufnahmen von bzw. mit Personen wird in Deutschland ab dem 25. Mai 2018 ganz erheblichen Rechtsunsicherheiten ausgesetzt. Digitale Street Photography, Sportfotografie, Konzertfotografie, Hochzeitsfotografie und alle Bereiche, die absichtlich oder unabsichtlich Personen abbilden, werden bis auf weiteres nur noch unter Eingehung eines ganz erheblichen Risikos möglich sein. Die DSGVO setzt das bewährte KUG außer Kraft, außer für
* Beschäftigte bei den klassischen Medien Rundfunk und Presse
* reine Analog-Fotografie
* reine private Aufnahmen im engen persönlichen und Familien-Kreis, soweit nicht im Internet veröffentlicht werden
* Aufnahmen von Verstorbenen.
Damit ist grundsätzlich eine umfangreiche Information und dokumentierte Einwilligung der abgebildeten Personen erforderlich, wenn nicht eine der wenigen Ausnahmen vom Einwilligungs-Erfordernis (…) vorliegt. Ob diese Ausnahmen tatsächlich vorliegen, wird in vielen, kostspieligen, langwierigen Gerichtsprozessen zu klären sein.
Mir war es bisher nicht klar, dass die DSGVO nun Vorrrang vor dem KUG haben soll. Es sieht so aus, als wollte die EU damit nebenbei die Sportfotografie abschaffen. freelens kommentiert “Wenn die Menschen zum Problem werden”…
Oder gibt es noch Auswege? Allein der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass ein solches Gesetz auch in anderen Bereichen erhebliche Kollisionen hervorrufen wird.
Es wird daher diskutiert ob Art. 85 Abs. 1 DSGVO eine Öffnungsklausel enthält, die dem nationalen Gesetzgeber auch für die Veröffentlichung von Fotos zu privaten oder beruflichen Zwecken eine eigene Regelungskompetenz einräumt.
Vielleicht sollte das Justizministerium sich mal kurzfristig des § 85 annehmen
Die Mitgliedstaaten bringen durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken, in Einklang.
Nachtrag 4.5.2018
Mit etwas Verzögerung kommt die Information nun auch in der breiteren Öffentlichkeit an. Unter welche Regelung fallen Bilder vor dem 25. Mai?
Wer Bilder digital veröffentlicht, auf welchen Personen abgebildet sind, muss ab dem 25. Mai 2018, wenn er nicht der Presse zuzuordnen ist, von jeder Person auf dem Bild die Zustimmung für die Veröffentlichung einholen. Für die Street Photographie macht dies die digitale Veröffentlichung der Bilder äußerst schwierig. Wer auf der sicheren Seite bleiben will, wird seine Straßenaufnahmen, sofern sie nicht völlig menschenleer sind, künftig nur noch als Postkarte oder Fotobuch veröffentlichen. Ob die DSGVO auch für Bilder gilt, die vor dem 25. Mai 2018 online gestellt wurden, scheint derzeit noch nicht geklärt zu sein und dürfte ein erhebliches Prozessrisiko bergen.
Und dann gibt es wieder andere Kommentare “alles halb so wild“, die auf viele Ausnahmeregelungen setzen:
Egal ob nach KUG oder DSGVO: bei Veröffentlichung der Bilder muss bei fehlender Einwilligung eine Ausnahme nach § 23 Abs. 1 KUG oder eine Rechtfertigungsmöglichkeit nach Art. 6 DSGVO (wie z.B. ein berechtigtes Interesse) vorliegen. Es dürfte daher weder angebracht noch notwendig sein, jedem Gast oder Teilnehmer eine schriftliche Einwilligungserklärung unter die Nase zu halten, nur um fotografieren zu dürfen.
Nachtrag 13.5.2018
Nach einem Handelsblatt Artikel soll das Gesetz “torpediert” werden
Manches sei „wirklich eine Überforderung“, sagte auch Merkel laut „Berliner Zeitung“ mit Blick auf die Wirtschaft. In anderen Ländern, wie etwa Österreich, werde die EU-Vorschrift anders realisiert als in Deutschland… Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor den negativen Folgen der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für die Wirtschaft gewarnt.
Natürlich müssten die Menschen über ihre Daten verfügen können. Es müsse aber aufgepasst werden, dass die Regeln nicht „unpraktikabel“ ausfielen, sagte Merkel am Mittwoch bei einer Konferenz von CDU-Kreisvorsitzenden in Berlin…
Auch die Opposition zeigte sich empört. „Das ist schon eine bemerkenswerte Aussage von Frau Merkel. Es dokumentiert die ganze Unentschlossenheit und Unprofessionalität der Bundesregierung in Sachen Daten- und Verbraucherschutz“, sagte Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzende der Grünen und Mitglied im Innenausschuss, dieser Zeitung. Jahrelang habe man das Thema im Innenausschuss aufgerufen.„Die Bundesregierung saß bei den Verhandlungen mit am Tisch. Dass ihr die Datenschutzgrundverordnung nur wenige Tage vor Inkrafttreten auffällt und sie die Umsetzung in Frage stellt, zeigt auch, welches Desinteresse sie bisher daran gehabt hat“, kritisierte der Grünen-Politiker.
“Wir“, das sind Blogger, Arztpraxen, Fotografen, Onlinehändler, Influencer, Buchhaltungsbüros, Journalisten, Youtuber, kleine und große Vereine, Open-Source-Entwickler, Webdesigner, Coaches, Aktivisten, Berater oder Seelsorger – also genau diejenigen, die ganz offenbar immer wieder durch Datenmissbrauch auffallen und dringend mal strenger reguliert werden müssten.
Klar, die DSGVO reguliert auch die „Großen“. Aber wieviel ist eine Datenschutzreform wert, die Facebook gleich mal verwendet, um seinen Nutzern die automatische Gesichtserkennung unterzujubeln?