Meinen, Glauben, Wissen

… war das Thema des Ethikrates in der letzten Woche.

Ich lasse mal das blosse “Meinen” hier weg, – das am wenigsten interessantes Phänomen – die Vorstufe zu Glauben oder Wissen, ein Fürwahrhalten, Vermuten, dem aber eine subjektive und objektive hinreichende Begründung fehlt.

Der Wahrheitsanspruch des Wissens dagegen ist objektiv begründbar. Nur, was ist schon objektiv womöglich ontologisch begründbar? Am besten erscheint mir – Kohärenztheorie – ein widerspruchsfreies Aussagensystem, das dem Wissen zugrunde liegt und das wissenschaftliche und technische Weiterentwicklung ermöglicht. Meinungen sind dabei am volatilsten und können sich am schnellsten ändern.

Unvermeidlich erschient mir neben dem Wissen und Meinen auch eine metaphysische Kategorie von Glaube (und Religion) da unser Wissen begrenzt ist, es aber auch einen Raum für Werte, Wünsche, aber auch Ahnungen in vielen ungelösten Fragen braucht: Warum ist überhaupt etwas und nicht nichts?

Man sollte das Meinen, den Glauben, und das Wissen allerdings voneinander trennen, denn Wissen hat völlig andere Kosequenzen als das Glauben (Halbwissen und Aberglaube sind dabei völlig verzichtbar).

In der Einführung zur Tagung des Ethikrates wird daher zurecht Kant zitiert

Wissenschaftliches Wissen muss sich also gegen Meinung und Glauben absetzen. Das ist die eindrückliche Mahnung, die Immanuel Kant, der die Unterscheidung von Meinen, Glauben und Wissen als Modi des Fürwahrhaltens in seiner Logik-Vorlesung einführt, uns mit auf den Weg gibt. Kant sagt nicht, dass man nicht auch Meinen und Glauben dürfe. Aber diese Modi des Fürwahrhaltens sind eben nicht Wissen, wissenschaftliches Wissen, sondern haben ihre je eigenen Felder des Bewahrheitung […]
Die erste Gefahr liegt dort vor, wo Meinen und Glauben als Wissen ausgeben wird […]
Und damit bin ich direkt bei der zweiten, der inneren Gefahr […] Sie ist dort gegeben, wo Wissenschaft […] als dogmatische Sicherheit ausgegeben wird, wo sie einen ideologischen Charakter bekommt […]
Dritte Differenzierungsnotwendigkeit: Wissenschaft spiegelt sich nicht eins-zu-eins in den politischen Statements von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern…

Leider helfen alle die Differenzierungen nicht viel weiter – dass blosse Meinungen noch keine Wissenschaft sind (1.),  ist doch leicht zu durchschauen. Auch dass Wissenschaft auf Abwege geraten kann, wenn Wissenschaft absichtlich eigene Ergebnisse ignoriert (2.). Und politische Statements sind alle doch durchaus zu erkennen (3.).

So wundert dann auch nicht, dass nach der verunglückten Vorrede gleich der erste “hochkarätige Referierende” in völlige Untiefen gerät (der im übrigen gleich zwei Versionen seines Vortrages verteilt: im Ethikrat und bei den Salon-Kommunisten).

 

 

Tatsächlich ist Wissenschaft ein sozialer Prozess, der „Wissen“ schafft. Wieder zwei Begriffe, die zu diskutieren sind. „Sozialer Prozess“ deutet darauf hin, dass es Menschen sind mit allgegenwärtiger kultureller Konditionierung und mit Interessen. Unter „Wissen“ verstehen einschlägige Theoretiker die Fähigkeit zum Deuten und Handeln, wobei nicht impliziert ist, dass dieses „Wissen“ „richtig“ ist.
Religion ist auch eine Form von Wissen. In der Tat gibt es einen Markt an Wissensansprüchen, zu dem Wissenschaft eine oder vielleicht mehrere Angebote beisteuert, es aber durchaus nicht gewiss ist, dass diese die Wissenskonkurrenz im öffentlichen Raum gewinnen. Zumal die Konkurrenten auch in den sozialen Prozess „Wissenschaft“ eingespeist werden. Was macht wissenschaftliches Wissen den anderen Wissensformen überlegen im Deutungspotential? Dadurch, dass es wissenschaftlich konstruiert wurde. Es ist nicht die Aussage, die dieses Wissen auszeichnet, es ist ihre Genese.

Natürlich entsteht Wissenschaft in einem sozialen Prozess, der aber im Endeffekt – da das Ergebnis objektivierbar ist – eher uninteressant ist.
Von Storch wertet Wissen zudem ab, als sei Wissen lediglich eine Fähigkeit zum Deuten, irgendein Angebot im Markt der Möglichkeiten. Und natürlich ist Religion kein Form des Wissen, allenfalls etwas verzahnt oder immersiv verankert, da müsste der “”hochkarätige Referierende” seine “einschlägige Theoretiker” schon dazu auch offen legen.
Die Genese (durch eine anerkannte wissenschaftliche Methode) begründet den Wahrheitsanspruch der wissenschaftliche Aussageund kein irgendwie gearteter sozialer Prozess.

Zur Regeneration nach der verunglückten Sitzung des Ethikrat empfehle ich Volker Gerhardt (“Der Sinn des Sinns”)-

Oder auch “Glauben und Wissen” 2001 von Habermas, seine Friedenspreisrede ebenfalls aus 2001,  besser noch  die 2019 Version “Auch eine Geschichte der Philosophie: Band 1: Die okzidentale Konstellation von Glauben und Wissen Band 2: Vernünftige Freiheit. Spuren des Diskurses über Glauben und Wissen.”