Jeder, der nicht gerade Marketingfachmann ist, kann ins Grübeln kommen, wie man mit Limonade so viel Geld verdienen kann. Es liegt nicht am Zuckerwasser, Taurin oder Koffein, es liegt ganz offensichtlich am cleveren Marketing des ehemaligen Blendax Mannes Mateschitz, der hier die berüchtigte Marktlücke gefunden hat. Dabei hat die Firma nicht einmal eine eigene Abfüllanlage, sondern lässt seine Dosen bei einer Fruchtsaftfirma in Vorarlberg abfüllen.
Red Bull hat keine Absatzproblem, lediglich manchmal Erklärungsnot, wenn ihm wieder mal ein Protagonist abhanden gekommen ist. Das passiert zwar nur selten, aber weil die Sportarten so extrem sind, braucht Red Bull auch nur begrenzt Geld für die hauseigene Stiftung „Wings of Life“, die sich um Rückenmarksverletzte kümmert. In einer Welt, in der sich alles nur um Risikovermeidung dreht, wo es für jedes Kinkerlitzchen eine EU Verordnung gibt, da bietet Red Bull Identifikation an, auch wenn es dann nur allzu oft heisst Dead Bull wie der “Zürcher Anzeiger” einmal bemerkte.
Norbert Bolz sagt „Das Marketing von Red Bull funktioniert nur, weil wir als Konsumenten und Medien mitziehen. Die Todesgefahr fasziniert uns” und er hat damit recht. Dagegen stimmt nicht, was Max Zimmermann in der WELT schreibt, dass tote Extremsportler den Konzern in die Bredouille bringen. Im Gegenteil, sie nützen dem Konzern. Der Tod gehört dazu, er ist Teil der Draufgängermarke und angepasst an die spezielle Zielgruppe junge Männer. Eine Zielgruppe in der dreimal mehr gestorben wird, als in der Altersgruppe davor oder danach. Bevorzugt mit dem Motorrad, früher auch oft mit der Waffe in der Hand.
Aber die Zeiten scheinen sich zu ändern. Cliff Bar Drops hat noch rechtzeitig den Kontrakt mit Dean Potter vor seinem tödlichen Sturz im Yosemite Park gelöst. Und Red Bull investiert auch in Fussball, Eishockey und Basketball. Bei Red Bulls “never complain, never explain” Strategie kann man allerdings nur spekulieren, warum diese Sportarten nun im Portfolio sind. Ist es die Phase der “Konsolidierung”? Eine Trendwende zu den Zuschauersportarten mit Großangriff auf den internationalen Markt von Coca Cola und Pepsi?
Red Bull und Radsport lebten bisher allerdings in zwei unterschiedliche Welten obwohl Radrennen spektakulär sind. Es gibt keinen Sport, bei dem aus eigener Kraft höhere Geschwindigkeiten oder grössere Strecken zurückgelegt werden. Legendär sind die Zuschauerschlangen in Alpe d’Huez; neue Rennformate gibt es allenthalben vom Everesting, Transcontinental, Rad Race zu Redhook. Bisher profitieren allerdings nur ein paar Mountainbiker und BMX Profis, Danny MacAskill und vielleicht noch oder seit kurzem die Trans-Siberian Extreme von Red Bull Überschüssen. Der Radsport darf allenfalls mal in der Steiermark ein Rennen auf dem hauseigenen Motorsportring austragen.
Damit sind wir nun aber in der Gegenwart angekommen, oder sagen wir besser bei dem Münchner Olympia-Radstadion von 1972. Obwohl es nur noch wenig funktionierende Radstadien in Deutschland gibt, sind nach Ostern nun die Bagger zum Abriss angerückt. Es war ein Trauerspiel was hier passierte – schon bald nach den Olympischen Spielen 1972 wurde das Radstadion nur noch als Tennisplatz genutzt, dann ging Olympic Spirit in die Insolvenz, es folgten Körperwelten, Aquarienshows, Edelmetalle, Hochzeits – und Erotikmesse und Minimünchen. Ungefähr in dieser Reihenfolge oder so ähnlich.
Als wahrscheinlicher neuer Bauherr auf dem Gelände gilt nun der Getränkekonzern Red Bull. Eine 10.000 Zuschauer fassende Multifunktionshalle soll Ende 2015 entstehen mit der einzigen Bedingung, dass die Stadt dafür das abgeräumte Grundstück des Radstadions bereitstellt. Dann käme Red Bull mit 100 Millionen Euro für Bau und Unterhalt eines Neubaus auf. 100 Millionen Euro, um dem Bahnradsport in München endgültig die Luft aus den Reifen zu lassen? Ein Mausoleum ähnlich wie das Velodrom in Rio? Oder vielleicht ein neues Multifunktions Radstadion wie in Jesolo?
Nachtrag Spiegel 1/2017: S. 70-74
Spiel ohne Grenzen. Red Bull und die Toten.
Das Gelände sieht verwahrlost aus. Und Mateschitz sagt : “Die Planungsphase für die Halle für 10.000 Zuschauer im Olympiagelände ist weitgehend abgeschlossen. Ich rechne mit keiner langen Phase zwischen Einreichung und Baugenehmigung. Wir könnten dann noch heuer beginnen und rechnen mit einem Jahr Bauzeit. Spiele in der Saison 2018/19 werden sich wohl kaum ausgehen, aber mit 2019/20 sollte es wirklich losgehen.”
Das Thema Bahnradsport ist erstmal Geschichte. Als kleinen Hoffnungsschimmer bleibt die Londoner Madison Sports Group die gerne nach Berlin auch München wiederbeleben würde. Immerhin , die erste Radrennbahn in Deutschland wurde 1880 in München eingeweiht, 1906 fährt Paul Guignard in Milbertshofen ein Weltrekord mit 101,2 km/h, 1972 als Highlight die Olympiade, bis dann 2009 die Lichter in der Olympiahalle aus gingen.
Nachtrag 8/2022 während der “European Championships Munich 2022”
Das Projekt des heisst jetzt SAP Garden nach der Software, die jedes Großunternehmen braucht aber jeder Anwender hasst. Zerstört war das Stadion schnell, 8 Jahre zum Wiederaufbau
Der Marktführer im Bereich Unternehmenssoftware mit Sitz in Walldorf tritt beim SAP Garden nicht nur als Namenssponsor auf. „Für SAP als Technologie- und Innovationspartner ist der SAP Garden eine hervorragende Möglichkeit, maßgeschneiderte und innovative Technologie-Lösungen für die individuellen Bedürfnisse der Teams, Fans und auch des Stadionbetreibers zu integrieren“, sagt Lars Lamadé, Head of Sponsorships Europa und Asien bei SAP.


Nach den Visualisierungen passt jedenfalls kaum eine Radrennbahn mehr in das Gebäude und die interims Bahn in der Messehalle C wird nach der Kritik an den 200 Meter sicher auch nicht lange stehen bleiben.

Und sonst? Die SZ spricht davon daß die für den Herbst geplante Eröffnung durch Coronakrise und Ukraine-Krieg nun für Frühjahr 2024 geplant ist. “Von den 100 Millionen Euro, die zu Beginn veranlagt worden sind, sei man mittlerweile weit weg”.