Geschichte der Kammer
Es gab ja schon immer Ärger mit der Bayerischen Ärztekammer.
Legendär ist dabei die wenig rühmliche Rolle der BLAEK bei den dutzend Skandalen der Vergangenheit
Josef Issels 1950
Bernd Schottdorf 1987
Julius Hackethal 1991
Nikolaus Klehr 1991
Fall Gustav Mollath 2011
Transplantationen Regensburg 2012
Medias Klinikum Burghausen 2017
COVID-19 Altötting 2020, Bamberg 2020, Tirschenreuth 2020, Wemding 2021, u.v.a.m.
Homöopathiebetrug 2021
Therapiebetrug Ingolstadt 2021
Anerkennung Ärztetitel 2024
Es lohnt sich, dazu auch die Geschichte der BLAEK einmal anzusehen. Vor 1927 waren Ärzte in Deutschland in freiwilligen ärztlichen Standesvertretungen organisiert – etwa in ärztlichen Vereinen oder Verbänden. Die gesetzlich verpflichtende Mitgliedschaft wurde mit der Reichsärzteordnung von 1935 dann zum Verhängnis, als die Reichsärztekammer als zentrale Organisation geschaffen wurde. Alle im Deutschen Reich praktizierenden Ärzte wurden zwangsweise Mitglieder dieser Kammer. Die Kammer war hierarchisch organisiert, zentral gesteuert und unterstand dem Reichsgesundheitsführe Leonardo Conti. Ziel war die Gleichschaltung der Ärzteschaft – im Sinne der NS-Ideologie, inklusive beruflicher und politischer Kontrolle.
Nach 1945 wurde die Reichsärztekammer zwar aufgelöst zugunsten von Ärztekammern auf Landesebene. Die Pflichtmitgliedschaft wurde aber beibehalten, angeblich um die berufliche Selbstverwaltung sicherzustellen unabhängig vom Staat – obwohl doch die meisten Ärzte vom deutschen Staat immer profitiert hatten. Mit demokratischer Legitimation war es dann auch nicht viel her, denn der Übergang von der Reichsärztekammer zu den Landesärztekammer war so nahtlos, daß viele Funktionäre der NS-Zeit auch nach 1945 wieder aktiv waren auch wenn einige SS und SA Funktionäre aus der BLAEK ausgeschlossen wurden.
So räumen die Münchner Ärztliche Anzeigen auch 80 Jahre später ein
Noch im Jahr 1945 wurde die Bayerische Landesärztekammer unter Alfred Kallenberger neu gegründet. Er führte ein restriktives Ärztegesetz ein, das z.B. eine Niederlassung nur für in Bayern geborene oder dort mindestens zehn Jahre tätige Ärztinnen und Ärzte erlaubte. Er widersetzte sich auch dem Wunsch der Amerikaner, eine Einheitskrankenkasse einzuführen. Kallenberger wurde rasch wieder abgesetzt, als die Amerikaner 1946 eine Adresskartei mit 40.000 regimetreuen Ärzt*innen entdeckten, die er den Amerikanern verheimlicht hatte. Die Entnazifizierung in Bayern verlief schleppend. 3.548 Ärzt*innen hielt man für mehr als nur Mitläufer, aber nur 39 davon wurde die Approbation entzogen. Offenbar wollte kaum jemand eine tiefgreifende Veränderung. Zudem gab es nur Wenige, die Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet hatten und bereit waren, eine neue medizinische Ordnung mitzugestalten. Ärztinnen und Ärzte waren während der Nazizeit immerhin die Berufsgruppe mit dem höchsten Prozentsatz an Mitgliedschaften in der NSDAP.
Die Geschichte der BLAEK ist noch lange nicht aufgeklärt, etwa wie Leitungsfiguren der Reichsärztekammer nach kurzer Unterbrechung wieder Führungspositionen in der BLAEK einnahmen. Die furchtbarsten Versuche an wehrlosen KZ Insassen wurden in nicht mal 25 km Entfernung vom Sitz der Kammer in Dachau durchgeführt. Nicht zuletzt daher waren auch der große Ärzteprozesse der Nachkriegszeit in Bayern. Nürnberg war der Ort der großen Reichsparteitage der NSDAP. Die Wahl Nürnbergs als Prozessort sollte ein starkes Signal zu setzen denn hier, wo die NS-Diktatur sich inszenierte, sollte sie auch juristisch zur Rechenschaft gezogen werden. Die Entnazifizierung war häufig formal, aber nicht tiefgreifend – wie auch in vielen anderen Berufsverbände im Nachkriegsdeutschland. Nur – die Pflichtmitgliedschaft blieb. Dr. med. Hans-Joachim Sewering ist das bekannteste Beispiel: ein NS-belasteter Arzt, der trotz öffentlicher Kritik Karriere in der bayerischen Ärzteschaft machte – ein Symbol für die problematische Entnazifizierung im westdeutschen Gesundheitswesen.
Von 1955 bis 1991 war Sewering Präsident der Bayerischen Landesärztekammer.
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