Gerechtigkeit ist ein marxistischer Begriff

sagt Oliver Bäte, Allianz Angestellter, in der ZEIT Ende letzten Jahres

ZEIT: Es gibt noch viele andere Ungerechtigkeiten: Finden Sie es gerecht, dass sich ein normaler Angestellter bei der Allianz keine Wohnung in München leisten kann?

Bäte: Gerechtigkeit ist für mich ein marxistischer Begriff. Ich weiß nicht, was das ist.

ZEIT: Gerechtigkeit ist ein sehr christlicher Begriff! Und es war ein Thema der Aufklärung.

Bäte: Aber was einer als gerecht oder ungerecht empfindet, ist sehr subjektiv. Ich glaube, es gibt viele Menschen, die sagen: Der Bäte verdient viel zu viel Geld, das ist ungerecht.

Dazu Harald Lesch, TU Angestellter,  im Tagesanzeiger diese Woche

Tagesanzeiger: Die Solidarität steckt in einer Krise. Absolut. Das sieht man schon nur daran, dass liberale Strömungen der Meinung sind, jeder solle seine Rente privat versichern. Das wäre eine Katastrophe für die solidarische Gesellschaft. Es würden institutionelle Anleger entstehen, die natürlich die entsprechenden Renditen erbringen müssten. Was wiederum Druck auf die Wirtschaft ausübte, das führte zum Rationalisierungsdruck, zu Produktionserhöhung. Wohin uns das in den letzten Jahrzehnten gebracht hat, sehen wir ja. Die Interessen des Shareholder zählen und nicht jene der Gemeinschaft. Der Drang zum Privaten führt dazu, dass öffentliche Räume zerstört werden, dass der öffentliche Diskurs zerstört wird.

Wie rächt sich das? Die Gier von Einzelpersonen in einem endlichen System bedeutet, dass es zu viele Verlierer gibt

Schauen Sie doch: Wir haben die Welt überversichert. Das Weltbruttosozialprodukt liegt bei 80 Billionen Dollar, dem gegenüber stehen Versicherungen in der Höhe von 800 oder 900 Billionen. Das ist wahnsinnig. Kaufe ich ein Auto für 2000 Euro und versichere es für 20’000, dann habe ich doch kein Interesse daran, dass es heil bleibt. So agiert die ganze Finanzindustrie. Und wir lassen alles zu, weil wir eine freie Wirtschaft haben.