Gründe der Radikalisierung

Die Verengung oder besser das Übermächtigwerden, die “Radikalisierung” einer Idee, ist in der psychiatrischen Praxis, bei diversen Sportarten, in der Religionssoziologie aber auch im alltäglichen Wissenschaftsbetrieb zu sehen.

Leider weiss man aber nur sehr wenig, warum Menschen radikalisieren. Dabei wäre es dringend notwendig, den zugrunde liegenden Mechanismus zu verstehen, jedenfalls unendlich notwendiger, als militärische Kriege zu führen.

Die jungen Männer des IS kommen wohl aus zwei entgegengesetzten Lagern, den nahezu religionslosen sozialen Randlagen und den orthodoxen, arrivierten Familien. Kinder aus den religionslosen Lager suchen Sinn, Aufgabe und Bestätigung ohne groß Ahnung von dem Koran zu haben – und stellen wohl eher das Fussvolk des IS. Kinder aus den religiösen Familien revoltieren hingegen eher mit einer Übererfüllung von Normen, die bevorzugt wörtlich dem Medina Koran entnommen sind, und stellen eher den Führungskader. Es ist wohl diese polare Konstellation, die den IS ausmacht, das Fehlen der Mitte, das Fehlen jeder liberalen Religion.

Es geht nicht darum, Verhalten zu pathologisieren, das dient selten dem Patienten, oft mehr der Psychiatrie. Leygraf jedenfalls sieht bereits die vierte Generation am Werk

Die erste Generation waren die Studenten in der Hamburger Zelle um Mohammed Atta. Hochintelligente junge Männer aus gutem Elternhaus, die schon als strenggläubige Muslime nach Deutschland kamen und hier dann von der Al-Qaida-Ideologie infiziert wurden. Unter ihren Nachfolgern gab es dagegen nur wenige charismatische und überzeugte Kämpfer, die fanden sich eigentlich nur unter den Führern dieser Gruppen. Der Rest waren überwiegend Einwanderer, die mit ihrem Leben nicht zurechtkamen.

Im Endeffekt beschreibt er also auch hier die duale Herkunft, ohne dass dies allerdings wirklich erklären würde, wie die Radikalisierung zustande kommt. Es sind eben doch viele soziologische, soziale und politische Faktoren mit im Spiel.