Grünenthal und der Contergan Skandal

In der deutschen Wikipedia kommt die Diskussion um die gezielte Anheuerung von Nazis durch Grünenthal zu kurz, wenn man den Newsweek Artikel aus dem Jahr 2012 zu Rate zieht.
Bei diesem Artikel habe ich zum ersten Mal verstanden, warum sich die Aufklärung durch Widukind Lenz so lange hingezogen hat (ich habe von Lenz das erste Mal um 1981 in der Humangenetikvorlesung von Utermann und Wendt in Marburg gehört) – es waren alten Nazi-Seilschaften, die sich gegenseitig gedeckt haben.
Das erste Kind mit der Phokomelie wurde bereits am 25.12.1956 geboren. Dennoch brauchte es genau 5 Jahre, so k-factor, Grünenthal als Schuldigen auszumachen.

Mit Tierversuchen zu dieser Frage begannen Mückter und seine Kollegen erst im September 1961. Am 15. November 1961 erhielt Mückter dann einen Anruf des Hamburger Kinderarztes und Humangenetikers Widukind Lenz, der die Rücknahme aller Thalidomid-Produkte aus dem Handel forderte, weil seine Forschungsergebnisse einen Zusammenhang zwischen Kindesmißbildungen und Contergan nahelegten. Lenz wendete sich auch an die Behörden. Grünenthal erklärte sich daraufhin lediglich dazu bereit, auf den Packungen vor einer Einnahme während der Schwangerschaft zu warnen und drohte der nordrhein-westfälischen Gesundheitsbehörde für den Fall eines Verbotes mit einer Schadensersatzklage. Erst ein Artikel in der Zeitung “Welt am Sonntag” am 26. November (“Mißgeburt durch Tabletten?”) bewegte die Firma dazu, das Medikament am folgendem Tag aus dem Handel zu nehmen.

Der Lancet Letter vom Mc Bride am 16.12.1961 setzte dann den Schlusspunkt. Leider wurden die Restbestände aber nicht vernichtet, so dass noch Kinder bis in die Mitte der 60er Jahre mit der Behinderung geboren. Nochmal k-factor:

Die Ambivalenz ist uns erhalten geblieben, und sie findet sich wieder in den gegenwärtigen Diskussionen um Gentechnik und Embryonenforschung. Fortschritt kann Segen bringen, aber wird dies niemals ohne Nebenwirkungen tun, seien diese ökologischer oder gesundheitlicher Natur. Gegen Rückschläge des Fortschritts helfen nur vernünftige Regeln und eine kontrovers geführte Debatte.