Bonus Systeme in der Wissenschaft

Schon immer gab es Belohnungs- und Bonussysteme in der Wissenschaft – materielle Anreize (Gehalt, Bonuszahlungen) aber auch immaterielle Zuwendungen (Aufmerksamkeit, Ehrungen). Dabei ist es ja eines der grössten Privilegien überhaupt, mit eigener Vorstellung, Wissenschaft zu betreiben. Warum dann diese Anreize? Und warum einzelne Wissenschaftler besonders herausheben wo vieles nur noch im Team geht? So zu tun, als sei ihre Arbeit mehr wert als die anderer? Selbst wenn sie überhaupt nicht (mehr) mehr leisten, allenfalls ihr Institut? Sowohl was Intelligenz als auch was Motivation angeht, spielt sich hier sowieso alles im oberen Drittel der Gaußverteilung ab, von einigen extremen Outliern abgesehen, die einfach Naturtalente sind.

Robert Merton (1910-2003) hat sich schon 1968 darüber Gedanken gemacht “The Matthew effect in science: The reward and communication systems of science are considered“.

Der Effekt geht zurück auf das Gleichnis der anvertrauten Talente Silbergeld in Mt 25, 29. Drei Angestellte erhalten 5, 2 oder 1 Talent Silber (also bis zu 500.000€) und vermehren beziehungsweise bewahren das Silber auf, mit der Pointe

Denn wer hat, dem wird gegeben werden und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.

Nicht ganz klar an dem Gleichnis ist die Interpretation – ist das Vermehren des Vermögens erstrebenswert (häufigste Auslegung) oder ist es doch mehr die (versteckte) Systemkritik an dem raffgierigen Verwalter? Jesus kritisiert ansonsten den Geldbesitz (“Denn eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“), somit hat wohl das Gleichnis weniger mit der Geldökonomie zu tun, es geht wohl mehr um  die Fähigkeiten  der Menschen (“Talente”), die es zu entwickeln gibt.

Man versteht jedenfalls heute unter dem Matthäus Effekt (Wikipedia) eine Theorie der kumulativer Vorteile.

Wo dieser Effekt auftritt, entstehen aktuelle Erfolge mehr durch frühere Erfolge, und weniger durch gegenwärtige Leistungen. Ein Grund liegt in den stärkeren Aufmerksamkeiten, die Erfolge erzeugen. Dies wiederum eröffnet Ressourcen, mit denen weitere Erfolge wahrscheinlicher werden. Kleine Anfangsvorteile einzelner Akteure können so zu großen Vorsprüngen heranwachsen, und eine sehr geringe Anzahl von Akteuren den Hauptteil aller Erfolge auf sich vereinen, während die Mehrheit erfolglos bleibt.

Interessanterweise ist der Matthäuseffekt stärker bei Frauen ausgeprägt (was aber bisher nur bei Filmschauspielerinnen und noch nicht bei Wissenschaftlerinnen nachgewiesen wurde).

Aber zurück zu Merton.

  1. Wo man arbeitet, ist wichtig sagt Merton. Renommiertes Haus is besser als Provinz
  2. Frühe Anerkennung ist wichtig, spätere ist eher irrelevant.
  3. Alles Glücksache. Wenn es nur 40 Stühle gibt, ist der 41. schlecht dran.
  4. Schlecht, wenn man lauter gute Kollegen um sich herum hat, dann fällt man mit guter Leistung nicht so auf. Widerspricht etwas 1.
  5. Fehler der ersten Art (es wird etwas Dubioses ausgezeichnet) ist selten, aber Fehler zweiter Art (es wird etwas Phänomenales nicht ausgezeichnet) ist häufig.
  6. Es gibt einen Sperrklinkeneffekt des erreichtem Niveaus für das es aber permanente Anstrengung braucht (stimmt wohl nicht immer, siehe Kary Mullis).
  7. An der Spitze ist es dann wieder sehr ruhig. Entgegen der Erwartung kommt nicht mehr viel nach.
  8. Man muss die Anerkennung  aktiv suchen, sich um Preise bewerben, wenn man nicht gerade zu den genialen Naturtalenten gehört, ohne “Faustian aspiration” geht es nicht.
  9. Wenn diese Hürde allerdings geschafft ist, dann ist es einfach.

As we shall see, such recognition can be converted into an instrumental asset as enlarged facilities are made available to the honored scientist for future work.

Bleibt die Frage wie wir mit dem Matthäuseffekt umgehen. Merton meint es braucht besondere Anstrengungen, dem entgegen zu wirken. Das meine ich auch.