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Die halbe Wahrheit ist die volle Irreführung

Zitat

Die Einwanderungspolitik von US-Präsident Donald Trump ist hoch umstritten. Besonders die Praxis, illegal eingewanderte Familien auseinanderzureißen und mitunter minderjährige Kinder von ihren Eltern zu trennen, stößt auf Kritik.
US-Justizminister Jeff Sessions hat das Vorgehen mit einem Bibelzitat gerechtfertigt. “Ich möchte auf den Apostel Paulus und seine klare und weise Anordnung im Brief an die Römer 13 verweisen, wonach die Gesetze der Regierung befolgt werden müssen, weil Gott die Regierung zu seinen Zwecken eingesetzt hat”, sagte Sessions.

Mal abgesehen von dem irrwitzigen Anspruch, dass hier ein Minister glaubt mit Römer 13

1 Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet.

von Gott höchstpersönlich eingesetzt zu sein, hier die bekannte Römerbrief Auslegung des (Germanisten) Wolfgang Thierse

Zum Glück gab es die Barmer Erklärung von 1934. In der heißt es in der 5. These:
„Die Schrift sagt uns, dass der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen. Die Kirche erkennt in Dank und Ehrfurcht gegen Gott die Wohltat dieser seiner Anordnung an. Sie erinnert an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten. Sie vertraut und gehorcht der Kraft des Wortes, durch das Gott alle Dinge trägt.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen.“
Das ist eine Auslegung von Römer 13, die mir gefiel und die mir noch heute gefällt. Und damit komme ich zurück zur Auslegung unseres Textes.
Die Exegeten, bei denen ich nachgeschaut habe, die Theologieprofessoren sind sich einig: Paulus spricht in eine konkrete Situation hinein und über das Handeln und Verhalten der Christen in der Reichshauptstadt Rom. Sein Brief richtet sich an die kleine, bedrängte, machtlose Minderheit der Christen, deshalb ist sein eigentliches Motiv wohl die Aufforderung zu Klugheit und Realismus im Verhältnis und Verhalten zur staatlichen Macht, die für den Bürger Roms, Paulus, eine durchaus geordnete Macht war.
Er entfaltet keine allgemeine Lehre vom gerechten Staat, formuliert keine Staats-(Kirchen-)Rechts-Theorie.
Paulus appelliert nicht „einfach nur an den Glauben, der alle Machtverhältnisse, die Obrigkeit also, auf Gottes Geschichtslenkung zurückführt, sondern auch an die politische Vernunft, die eine gewisse Notwendigkeit geordneter Verhältnisse nüchtern zur Kenntnis nimmt“.
Man kann, ja man sollte Paulus‘ Text also eher als ein Plädoyer für eine vernünftige Unterordnung unter unausweichliche staatliche Autoritäten lesen und nicht als Heiligsprechung jedweder staatlicher Autorität oder als Aufforderung zu Unterwerfung, zu blindem Gehorsam, zu Untertanengeist.

oder die Einleitung von Karl Barths Römerbrief Vorlesung 1922

Paulus hat als Sohn seiner Zeit zu seinen Zeitgenossen geredet. Aber viel wichtiger als diese Wahrheit ist die andere, daß er als Prophet und Apostel des Gottesreiches zu allen Menschen aller Zeiten redet. Die Unterschiede von einst und jetzt, dort und hier, wollen beachtet sein.

Vielleicht protestieren jetzt mal die Theologen gegen Jeff Sessions und nicht nur die Juristen. Die kam dann am

27 Juli 2018

https://www.feinschwarz.net/missbrauchter-gott/

Eine gelungene Exegese aktualisiert die biblische Botschaft für das Heute. Eine misslungene Exegese missbraucht sie, in diesem Fall für politische Zwecke. Dazwischen liegt oft nur ein schmaler Grat. … Theologen aller Konfessionen stellten Römer 13 wiederholt die Apostelgeschichte (5,29) gegenüber: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Eine inhaltliche Synthese ist das geflügelte Wort: „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“