Die Meinung der Lungenfachärzte (6000 Tote X)

Es sieht so aus, als sei ich nicht ganz allein mit meiner Kritik an dem NO2 Grenzwert, wenn ich mir die Unterschriftenliste der 112 Lungenfachärzte im Netz ansehe.

Das stärkste Argument gegen die extrem einseitige Auswertung der [epidemiologischen] Studien ist jedoch eine Besonderheit, die nur beim Feinstaub und NOx vorliegt. Normalerweise müsste man zur Absicherung eines Grenzwertbereiches eine Expositionsstudie am Menschen durchführen mit höheren und niedrigeren Dosen. Das ist ethisch jedoch nicht vertretbar. Beim Feinstaub und NOx ist die Situation anders, denn die Raucher Inhalieren freiwillig außerordentlich hohe Dosen, so dass diese quasi freiwillig an einer riesigen Expositionsstudie teilnehmen.

Die Diskussion geht aber nun doch etwas durcheinander – ich würde vorschlagen, bei  dem ursprünglichen Thema NOx und Langzeiteffekte zu bleiben. Also weder NOx und Partikel zu vermischen, auch nicht Kurz- und Langzeiteffekte.

Wichmann in seiner “Expertise zu gesundheitlichen Risiken von Stickstoffdioxid” für Baden-Württemberg mit eindeutiger Aussage:

Quantitative Abschätzungen der Auswirkungen der NO2 Langzeitexposition auf die Mortalität: US-EPA und WHO/EU sehen die Datenlage für quantitative Aussagen zur vorzeitigen Todesfällen und verlorenen Lebensjahren als begrenzt an. Deshalb verzichtet US-EPA auf die Durchführung entsprechender Abschätzungen für NO2. WHO/EU empfiehlt solche Abschätzungen nur für Sensitivitätsanalysen und verweist darauf, dass NO2 möglicherweise ein Schadstoffgemisch repräsentiert und man nicht ausschließen kann, dass derartige Abschätzungen nicht die Wirkungen des NO2-Gases allein wiedergeben.

Schulz versteigt sich immer höher: “Die Grenzwerte sind sogar noch zu hoch”.

Bartens von der SZ hat sich etwas besonderes ausgedacht – er versucht Köhler persönlich zu diskreditieren. Wie auch bei letzten SZ Wissen Thema diverse Faktenfehler.

Derjenige, der Sinn und Höhe der Grenzwerte anzweifelt, ist Dieter Köhler, ein 70-jähriger Pneumologe, früher Chefarzt einer Lungenfachklinik im Hochsauerland und zwei Jahre Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP). Köhler ist medienerfahren … Holger Schulz, Direktor des Instituts für Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum München, hat mehrere Studien zu den Gefahren durch Luftverschmutzung geleitet.

Jasper von Alternbockum trifft meine Meinung

Die Umweltpolitik ist besonders anfällig dafür, Wissenschaft zu verformen. Doch gerade auf diesem Feld ist die Politik auf Vertrauen angewiesen. Die Debatte um Diesel-Fahrverbote droht dies nachhaltig zu zerstören.

Nicht allzuviel Neues im Deutschen Ärzteblatt

Berlin – Lungenspezialisten haben eine kritische Überprüfung der Auswirkungen von Feinstaub und Stickoxiden auf die Gesundheit gefordert. In einer heute veröffentlichten Stellungnahme äußerte eine Gruppe von mehr als 100 Medizinern erhebliche Zweifel an der wissenschaftlichen Methodik bei der Festlegung der Grenzwerte. Zugleich drängen die Ärzte auf eine Neubewertung der Studienlage. Es gebe derzeit „keine wissenschaftliche Begründung für die aktuellen Grenzwerte“, hieß es in der Stellungnahme. Die Ärztegruppe kritisierte, die Daten zur Gefährdung von Luftverschmutzung seien „extrem einseitig“ interpretiert worden. Andere Faktoren wie Lebensstil, Rauchen, Alkoholkonsum oder Bewegung hätten weitaus stärkere Auswirkungen auf Krankheitshäufigkeit und Lebenserwartung.

Der Spiegel versucht sich an einer ausgewogenen Formulierung (die Betonung liegt auf versucht)

Auch wenn sich Argumente der Ärzte widerlegen lassen, für den wissenschaftlichen Diskurs ist der Beitrag sinnvoll. Es gehört zur Natur von Wissenschaft, Thesen, Ergebnisse und vor allem Interpretationen anzuzweifeln, andere Erklärungen anzubieten. Das heißt nicht, dass die Antithese der Wahrheit entspricht. Aber durch den Diskurs nähert man sich der Realität – mehr kann Wissenschaft ohnehin nicht bieten.

Und jetzt kommt leider der Rebound, den ich befürchtet habe:

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hält die Zweifel der Lungenärzte für gerechtfertigt. „Der wissenschaftliche Ansatz hat das Gewicht, den Ansatz des Verbietens, Einschränkens und Verärgerns zu überwinden“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Initiative der 107 Fachmediziner sei ein wichtiger und überfälliger Schritt. Er helfe mit, „Sachlichkeit und Fakten in die Dieseldebatte zu bringen“.

Da nützt auch die gebetsmühlenartige Wiederholung  der Epidemiologen nichts (Handelsblatt), der ADAC will die Werte nun sogar gerichtlich überprüfen lassen. Das ZDF berichtet über den Verkehrsgerichtstag unter der Überschrift “Diesel-Fahrverbote unverhältnismäßig”:

Nach dem [geplanten] Gesetz sollen Fahrverbote nur noch in “besonders belasteten Gebieten” in Betracht kommen. Das sollen solche sein, in denen eine NO2-Belastung von über 50 Mikrogramm vorliegt. Bei geringerer Grenzwertüberschreitung (zwischen 41 und 50 Mikrogramm) sollen Fahrverbote in der Regel als unverhältnismäßig gelten. Wenn das Gesetz kommt, hätte dies erhebliche Folgen. Von 65 bislang von Fahrverboten bedrohten oder schon betroffenen Städten, blieben wohl nur noch 15 übrig.

Jetzt wird alles herausgekramt, zum Beispiel dass Fahrverbote weniger als gedacht bringen.

Ferdinand Dudenhöffer ist für klare Worte bekannt. „Diesel-Fahrverbote bewirken deutlich weniger als immer behauptet“, sagt der Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen.

So richtig informiert ist Köhler nicht, denn die Londoner Studie kennt er nicht.

Ja, sagte er auf eine Zwischenfrage Plasbergs, ja er würde bedenkenlos in eine Wohnung an einer vielbefahrenen Straße ziehen, nur der Krach würde ihn stören. Aus alten Daten würden neue Krankheitswerte abgeleitet, und leider sei niemand in der Lage, eine aktuelle Studie vorzulegen. Denn die koste 30 bis 50 Millionen Euro und dauere ewig, weil man ja warten müsse, bis die Menschen sterben.

Selbst das Geschütz der Grundrechtsverletzung wird aufgefahren. Und irgendwie streiten sich jetzt nur noch Kinder.

Joachim Müller-Jung in der FAZ diskreditiert Universitätspneumologen als “Fachärzte” und “Ärzte Aktivisten”, kann sich dabei nicht recht entscheiden ob sein eigener Satz

Grundsätzlich sind Grenzwerte zur Luftreinhaltung nicht das Ergebnis eines wissenschaftlichen, sondern eines politischen Prozesses.

denn nun stimmt oder nicht ist. Dann wirft auch er Stickoxide und Feinstaub in einen Topf, erfindet ein erhöhten Risiko für Asthmatiker und kleine Kinder (für was?) und bestreitet dass es auch Einwände von Epidemiologen gibt. Und treibt internationale Lungenärzte auf. Nur leider reden diese nicht über NO2 Werten, sondern über Partikel.

Die verunglückte Stellungnahme der Lungenärzte hin oder her:  der Wissenschaftsjournalismus erlebt damit auch gerade einen Tiefpunkt sowohl FAZ, SZ und SPON (wo man dazu ungeniert sein Buch promoten darf). Da fällt die Bildzeitung diesmal nicht mal negativ auf.