Querdenken

Es gibt bisher wenig gute Erklärungen der Querdenken Bewegung.

Warum verfallen Menschen auf bestimmte  Meinungen? Und was unterscheidet sie zum Beispiel von den wahnhaften Störungen in der Psychiatrie oder aber auch von Fehlschlüssen in der Wissenschaft? Irgendwie scheint sich doch alles auf einem Kontinuum zu bewegen?

Bei dem Versuch einer Antwort folge ich dabei mehr oder weniger dem Psychiater Manfred Lütz, der auch nicht viel auf unsere psychiatrischen Diagnosen gibt, da sie nur Hilfskonstruktionen sind die nur einem Zweck dienen, nämlich Menschen medizinisch zu helfen (S.32ff)

Manfred Lütz. Irre! – Wir behandeln die Falschen: Unser Problem sind die Normalen. Goldmann 2019.

Unbestrittenes Kennzeichen des Wahns ist jedenfalls die Unfähigkeit, die Perspektive zu wechseln.  Mit dieser Definition gelingen nun auch die Unterscheidungen: So sind Psychotiker und Querdenker beide unfähig, die Perspektive zu wechseln, während das den meisten Wissenschaftlern aber möglich sein sollte.

Psychotiker leiden unter dieser Unfähigkeit (zumindest im symptomfreien Intervall) während Querdenker darüber in ihrer Gemeinschaftserfahrung Bestätigung erfahren. Die “self enforcing loops” bei der Psychose sind wohl hirnorganisch  bedingt, während sie bei Querdenker eher sekundär und erlebnisreaktiv sind. Die Ideenwelt der Psychose ist kreativ, während Querdenker kaum zu neuen oder innovative Ideen in der Lage sind.

Dennoch: Querdenken sollte  nicht pathologisiert werden – Labels helfen nicht, sie verstärken nur eher den Zusammenhalt der Gruppe. Mit Wegfall von Youtube und Telegram würde die Bewegung wohl in sich zusammen fallen. Da dies nicht passierte, sucht sie sich neue Ziele etwa Russland.

Im selbst gewählten Asyl ist es dann aber mit dem Gemeinschaftserlebnis vorbei, so auch bei den zwei prominentesten Ärzteaccounts diese Woche zu sehen.

Bodo Schiffmann https://twitter.com/Tzerberus1/status/1589185591127977984
Carola Javid Kistel https://twitter.com/Alemanniel/status/1589318971769196551