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Die Bayerische Landesärztekammer (BLAEK): Die Selbstbedienung der Selbstverwaltung

Abgesehen von der verständlichen Verärgerung von Ärztinnen und Ärzte, die in Bayern nun plötzlich mit ihrer Rente die Ärztekammer finanzieren sollen, offenbart sich dabei ein eigenartiges Selbstverständnis der Kammer und ihres Präsidiums.

Warum ignoriert es die Leserbriefe seiner Mitglieder (im Bayerischen Ärzteblatt 3/2025) und führt die Aufsichtsbehörde mit falschen Angaben in die Irre? Juristische Fragen erscheinen mir dabei aber zweitrangig – Gerichte werden letztendlich über die Rechtmässigkeit der neuen Gebührenbescheide entscheiden. Viel bemerkenswerter ist aber der Wandel des ärztlichen Selbstbilds vom sicheren, gut bezahlten Beruf zur durchökonomisierten Dienstleistung mit Budgets und Fallpauschalen. Der einstige Zusammenhalt des Standes ist brüchig geworden, wie früher kostenlos behandelt niemand mehr seinesgleichen. Die hippokratische Tradition, den Lehrmeister „wie die eigenen Eltern“ zu achten und den Lebensunterhalt zu teilen? Mit den neuen Kammergebühren für nicht mehr berufstätige Ärztinnen und Ärzte wird genau das Gegenteil gemacht.

Ärztekammern hatten einmal eine integrative Funktion. Heute dominiert die Zersplitterung: Klinikärzte, Niedergelassene, Angestellte, Berufsaussteiger – wessen Interessen vertritt denn diese Kammer? Offenbar vor allem ihre eigenen. Eine halbe Million Euro jährlich für den Präsidenten und seinen Vertreter muss schließlich finanziert werden.

Schon 1955 beschrieb es Northcote Parkinson: Bürokratien wachsen unabhängig von ihrer Arbeitslast. Mehr Personal schafft neue Hierarchien, rechtfertigt sich mit internen Prozessen. Aber während Bürokraten sich am liebsten selbst verwalten, erledigt immer mehr künstliche Intelligenz Routinejobs: Buchhaltung, Terminmanagement, Verwaltung – Einsparpotenzial 30–50 % in fünf Jahren. Die Reaktion der Bayerischen Landesärztekammer? Statt einsparen mehr ausgeben.

„Wir evaluieren Digitalisierungsmöglichkeiten – Apps statt Papier.“

Ernsthaft – wer braucht noch eine weitere App? Und Stockfotos falscher Ärzte in den Broschüren? Capgemini, Werbung für PVS holding, die acti­ve­Mind AG,  D-Trust…? Statt echter Reformen gibt es eine Social-Media-Offensive mit ganzen 401 YouTube-Abonnenten und 2.540 “Freunden” auf Facebook. Die meisten der kümmerlichen Follower kommen aber nicht von den 97.000 Kammermitgliedern…

Die endgültige Entscheidung über die Gebührenerhöhung steht noch aus. Aber auch so haben wir die rhetorische Nebelkerze der „Generationengerechtigkeit“ zur Kenntnis genommen und was die  Bayrische Landesärztekammer darunter versteht – sie steht für Euphemismus und Verdrehung der Tatsachen. Management-Floskeln über „finanzielle Stabilität“, „zukünftige Leistungsfähigkeit“ und „veränderte Rahmenbedingungen“ verschleiern das eigentliche Problem: Die Bayerische Landesärztekammer muss nun nicht nur ihre Gebühren rechtfertigen, sondern mittlerweile auch ihre Existenz.

Denn ausgebildet und geforscht wird in der Medizin schliesslich immer noch an Universitäten. Geprüft wird in staatlichen Examen, die Approbation verleiht die Landesbehörde. Die Honorare werden privat oder über die KV erstattet. Hier werden auch die Bereitschaftsdienste organisiert, Vertragsärzte vertreten und Fortbildungen organisiert. Gerichte und Schiedsstellen berufen Gutachter von den Fakultäten oder Akademien. Der Arztausweis kommt vom Kreisverband, zusätzliche Facharzt Zertifikate könnten jederzeit auch akkreditierte medizinische Fachgesellschaften vergeben. Stammtisch und Fortbildung funktionieren alle auch ohne Landesärztekammer und ganz ohne penetrante Unterstützung von Pharmaunternehmen (“MEZIS“). Ärztliche Kreisvereine, Landesärztekammer und Bundesärztekammer, wieviel davon ist völlig sinnlose  Redunandanz?

Es kann ja jeder gerne freiwillig Kammermitglied bleiben, aber warum denn nun neuerdings Zwangsgelder nach Ende der Berufstätigkeit? So überaltert und reformunfähig wie die Kammer auftritt?

Der Autonomie der ärztlichen Selbstverwaltung muss Grenzen gezogen werden, so die frühere Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes. Nur leider versagt die Kontrolle in Bayern, wenn das zuständige Staatsministerium auf Nachfrage nur die allseits bekannten Management Floskeln wiederholt.

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Instrumentalisierte Wissenschaft

BR24 berichtet über ein fünfteiliges Maßnahmen-Paket zu multiresistente Keimen über das der Landtag gestern diskutiert hat.

In Teil vier dieses Pakets geht es auch um Homöopathie. In der Hauptsache soll eine Studie veranlasst werden, die untersucht, wie man mit weniger Antibiotika auskommt. Dabei soll eine mögliche “positive Rolle von gegebenenfalls ergänzend verabreichten homöopathischen Präparaten” beleuchtet werden, um so den Einsatz von Antibiotika zu verringern oder teilweise ersetzen zu können.
In der Antragsbegründung heißt es, dass laut einer bereits veröffentlichten Studie, eine zusätzliche homöopathische Behandlung bei schwer an Blutvergiftung erkrankten Menschen “nützlich” sein kann. In dem Antrag wird des Weiteren für möglich gehalten, dass eine homöopathische Behandlung Antibiotika zum Teil ersetzen oder reduzieren kann und “in manchen Fällen ebenso heilsam” sei.

Ich vermute mal, so eine Studie geht über keine Ethik-Kommission, so dass sich die Aufregung bald wieder legen wird. Blamiert haben sich aber schon einige Parteien.

Allerdings sollte damit aber jedem Wissenschaftler klar sein, dass man nur so lange gefragt ist, wie es zu dem jeweiligen Weltbild passt.

https://mobile.twitter.com/spasskultur/status/1192515797853319168

Das deutsche Ärzteblatt zeigt die Schwierigkeit, dass sich nun kaum eine deutsche Universität mit der Seidenath-Studie blamieren will.

Ich verstehe die Aufregung nicht“, sagt hingegen der CSU-Politiker Bernhard Seidenath. „Jeder keilt sich an dem Thema Homöopathie fest.“ Dieses komme nur am Rande vor und sei Teil eines größeren Maßnahmenpaketes, mit dem multiresistente Keime bekämpft wer­den sollen. Der Landtagsabgeordnete aus Dachau hatte daran federführend mitge­wirkt. Seidenath betonte, man wolle „versuchen, alle Register zu ziehen, um die Wirksamkeit von Antibiotika zu erhalten und Resistenzen zu vermeiden“. Dafür dürfe nichts unversucht und nichts ununtersucht bleiben. Er hält das Geld für die Studie – Seidenath geht von rund 300.000 bis 400.000 Euro Kosten aus – für „sinnvoll investiert“.

30.11.2019
dto Stefan Rahmstorf

Schlägt die Politik wissenschaftliche Beratung zu oft in den Wind?
Rahmstorf: Mein Eindruck im Wissenschaftlichen Beirat war leider: Wenn wir einen Rat gegeben haben, der der Regierung gepasst hat, dann wurde er gerne aufgegriffen; andernfalls wurde es eher ignoriert.

Die ultimative Zusammenfassung zur homöopathischen Datenlage im übrigen im Laborjournal.


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