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Krankheitscluster: Leukämien, Asthma, Lungenkrebs, ALS

Die Cluster Epidemiologie ist ein spannendes Teilgebiet der Epidemiologie, das sich mit der Untersuchung von Krankheitsausbrüchen in geografischen oder sozialen Clustern befasst. Die Ursache einer Krankheit zu finden , die in einer bestimmten Populationen oder Regionen gehäuft auftritt, ist immer  schwierig und selbst wenn man die Ursache gefunden hat, ist sie kaum zu beweisen, da sich eine Re-Exposition  verbietet.

Ich werde  hier die Infektionskrankheiten einmal ausklammern, ebenso wie Berufskrankheiten oder die Ausbrüche mit bekannten Ursachen (Hiroshima, Bhopal, Seveso, …) und stattdessen einen bisher kaum benutzten Beweis versuchen, um ihn dann bei vier Clustern anwenden: Elbmarsch (Störfälle Kraftwerk), Umhausen (Radon Exposition), Barcelona (Staub von Sojabohnen) und Montchavin (Giftlorchel Vergiftung). Die ersten drei Fällen habe ich selbst oder über Institutsmitarbeiter erlebt, den letzten Fall kenne ich nur aus der Literatur.

In der Medizin gab es immer schon die “diagnosis ex juvantibus”,  wenn die Diagnose durch den Erfolg oder Misserfolg einer therapeutischen Maßnahme gestellt wird.  Bleibt die erhoffte Wirkung aus, kann dies die Verdachtsdiagnose widerlegen oder bestätigen, so etwa bei  Infektionen  wenn das Antibiotikum bei Verdacht auf eine bakterielle Infektion anspricht. Oder wenn bei unklaren gastrointestinale Beschwerden eine symptomatische Besserung nach Protonenpumpenhemmern die Refluxkrankheit sichert. Oder eine fragliche Allergien nach Antihistaminika anspricht.

Ich übertrage das Prinzip nun auf die Cluster Epidemiologie: Kann der  Wegfall des vermuteten Risikofaktors auch den Krankheitsausbruch zum Erliegen bringen? Ist das dann ein gültiger indirekter Beweis?

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Epidemiologie in der Krise

Margarete Stokowski über die Krise ihres Berufstandes

Da muss man sich dann nicht wundern, wenn Leute sagen, »Wir haben eine PhilosophInnen-Krise« (Jörg Kachelmann) oder »Deutsche Gegenwartsphilosophie ist intellektuell 1 Zumutung« (Mohamed Amjahid) oder eine Professorin (Johanna Sprondel) auf Twitter berichtet, sie habe, obwohl sie in Philosophie promoviert, publiziert und gelehrt habe, ihren Lektor gebeten »Philosophin« aus ihrer Kurzbiografie zu streichen, weil: »Precht, Flaßpöhler«.

Auch mein Berufsstand ist dem Siechtum verfallen. Wie  der wissenschaftliche Stellenwert der deutschen Epidemiologie ist zeigt sich nun auch für Aussenstehende. Kaum dass einer der deutschen Epidemiologen – sorry DGEpi – bei der Pandemie öffentlich in Erscheinung getreten ist, und wenn dann mit seltsamen Ansichten. Kaum dass sich ein renommierter deutscher Epidemiologe an der Diskussion beteiligt hat – ein Grund dass “Modelllierer” in diese Lücke gesprungen sind und wir unser Wissen vorwiegend aus England und USA bezogen haben.

Umso bestürzender ist nun, dass sich nun doch Epidemiologen, davon zwei Lehrstuhlinhaber zu Wort gemeldet haben: Stang, Jöckel (Essen) und  CullenKeil (Münster). Spelsberg könnte die Exfrau des Gesundheitsministers sein, die im August 2020 schon vom Ende der Pandemie  (9:20) oder normaler Grippe (10:41) faselte.

Schauen wir uns ihren Artikel in der rechtsnationalen Tagespost an “Weltweite Gesundheit ist eine Utopie” an:

Was soll dieses Strohmann Argument? Auf dem Höhepunkt der Pandemie in Deutschland zu behaupten, dass Gesundheit für alle eine Utopie ist? Hat das jemals jemand behauptet? Ein Leben ohne Corona hat auch niemand zum höchsten Gut erklärt. Daran  zu sterben, ist – wenn auch nicht immer – so doch in vielen Fällen vermeidbar wenn

Das Hannah Arendt Zitat als Aufmacher ist dabei besonders deplatziert. Es stammt aus einem der Essays, die sie für den jüdisch-deutschen “Aufbau” im Exil verfasst hat. Es gibt keinen Artikel “This means you”, das war der Name der Kolumne unter der sie schrieb. Das Zitat findet sich in dem Sammelband von Marie Luise Knott  in “Keinen Kaddisch wird man sagen”, wurde veröffentlicht am 19.6.1942 und bezieht sich direkt auf die Goebbels Rede in der  Woche davor in Berlin, dass die amerikanischen und britischen Angriffe auf Deutschland das Werk von Juden seien. Arendt (a.a.O S. 35) meinte den Antisemitismus könne man nur “mit der Waffe in der Hand” bekämpfen und ist dafür sogar bereit zu sterben (a.a.O. S .71) wenn das Leben in völliger Unterdrückung endet.

Es war einmal eine glückliche Zeit, als Menschen frei wählen konnten: Lieber tot als Sklav’, lieber stehend sterben, als auf den Knien leben. Es war einmal eine verruchte Zeit, als schwachsinnig gewordene Intellektuelle erklärten, das Leben sei der Güter höchstes. Gekommen ist heute die furchtbare Zeit, in der jeden Tag bewiesen wird, daß der Tod seine Schreckensherrschaft genau dann beginnt, wenn das Leben das höchste Gut geworden ist; daß der, der es vorzieht, auf den Knien zu leben, auf den Knien stirbt; daß niemand leichter zu morden ist als ein Sklave. Wir Lebenden haben zu lernen, daß man auf den Knien noch nicht einmal leben kann, daß man nicht unsterblich wird, wenn man dem Leben nachjagt, und daß, wenn man für nichts mehr sterben will, man stirbt, obwohl man nichts getan hat [Hervorhebung von mir].

Abgesehen davon, dass das Zitat sinnentstellend verkürzt ist – sich nun mit der historischen Situation einer emigrierten Jüdin im Dritten Reich zu vergleichen und die Seuchenpolitik einer demokratisch gewählten Regierung mit dem Völkermord  des nationalsozialistischen Regimes gleich zu stellen, das ist eine furchtbare Relativierung ähnlich wie die gelben Sterne der Corona Leugner.

Bei den Corona-Protesten gab es Demonstrationsteilnehmer, die gelbe Sterne trugen, auf denen „ungeimpft“ zu lesen war. Das ist ein krasses Beispiel von Holocaust-Relativierung.

Ist es danach überhaupt noch notwendig, die 10 sinnfreien Thesen des Artikels zu kommentieren?

Etwa  dass aufgrund der Erfahrungen der vergangenen 18 Monate und anhand der weltweiten Entwicklung der Infektions- und Sterblichkeitsziffern sich keine relevanten Erfolge bisheriger Pandemie-Bekämpfungsmaßnahmen erkennen liessen? Genau das Gegenteil habe ich und haben auch viele andere Epidemiologen gezeigt.

Und letztendlich wurde auch kein/e einzige/rEpidemiolog/in in den Expertenrat der Bundesregierung berufen.

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