Krankheitscluster: Leukämien, Asthma, Lungenkrebs, ALS

Das Beispiel Umhausen kenne ich aus der Vorlesung von Prof. Neiss, der meine Habilitationsschrift betreute.

Umhausen liegt im Ötztal und wurde durch eine Häufung von Lungenkrebsfällen bekannt – in den Jahren 1970–1991 etwa viermal so hoch wie im Durchschnitt der Tiroler Bevölkerung. Die Ursachensuche war nicht einfach, Rauchen war naheliegend. Radon Exposition stand auch auf der Liste, da es als Ursache für Lungenkrebs bei Bergwerksarbeitern bekannt war. Radon ist ein natürlich vorkommendes radioaktives Edelgas, das das farb-, geruch- und geschmacklos ist. Es ist ein Zerfallsprodukte des in Böden und Gesteinen vorkommenden Uran. Aus den Böden und Gesteinen entweicht Radon in die Bodenluft und kann dadurch in die Gebäude gelangen.

Mehrfachmessungen vor Ort mit Detektoren brachten dann den Beweis. Pro Standort wurden drei Detektoren installiert. Aufgrund der ungewöhnlich hohen Radonkonzentrationen konnten die Detektoren jedoch nur für kurze Zeiträume  eingesetzt werden. Die durchschnittlichen jährlichen Radonkonzentrationen waren besonders hoch im Gebiet zwischen der Ötztaler Ache und dem Hairlachbach. Dieses Gebiet liegt geologisch auf einem Schwemmfächer eines gewaltigen Felssturzes aus granitischem Gneis (Gebiet A, Median der jährlichen Mittelwerte in Erdgeschossräumen: 1.868 Bq/m³).

Im restlichen Dorf Umhausen waren die Radonkonzentrationen vergleichsweise niedrig (Gebiet B, Median der jährlichen Mittelwerte in Erdgeschossräumen: 182 Bq/m³). Basierend auf diesen Medianwerten wurden die jährlichen Expositionen berechnet (Gebiet A: 58,8 × 10⁴ Bq h/m³; Gebiet B: 5,7 × 10⁴ Bq h/m³). Dann wurden Daten aus dem Krebsregister Tirol herangezogent, um die alters- und geschlechtsstandardisierte Lungenkrebs-Sterblichkeitsrate zu bestimmen. Die SMR lag in Gebiet A bei 6,17 und in Gebiet B bei 1,43.

Ein direkter Beweis für einen Zusammenhang wurde damit also nicht erbracht, die Bevölkerung wurde dennoch über das Risiko informiert, Keller wurden abgedichtet, die Mortalität sank, wobei mir aber dafür ein nachprüfbarer Beleg fehlt (Prof. Neiss ist 2016 verstorben).  Die Daten gingen jedenfalls dann in eine große österreichische und internationale Studie ein.

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