Category Archives: Genetics

Peter Dabrock zu Keimbahneingriffen

O-Ton Peter Dabrock “Apothekenschau” gestern (30.10.2019)  Darf man Erbgut korrigieren?

Herr Professor Dabrock, kürzlich wurden die ersten Menschen mit korrigierten Genen geboren. Was halten Sie davon?
Ich halte das aus mehreren Gründen für verwerflich. So könnte das Ausschalten dieses speziellen Gens die Lebenserwartung bei den gerade geborenen Mädchen um zehn Jahre verkürzen.
Zudem wissen wir generell zu wenig über die Nebeneffekte von Genscheren. Denn sie schneiden das Erbgut nicht nur an der beabsichtigten Stelle. Niemand kennt die Folgen, die sich daraus ergeben. Auch deshalb hält keiner der führenden Wissenschaftler Genkorrekturen an der Keimbahn für verantwortbar.

Die Antwort enthält mehrere Fehler (wobei es natürlich schwierig ist, für einen evangelischen Theologen über Wissenschaft zu reden, die er nur vom Hörensagen kennt).

1. Die Lebenserwartung wird durch die Ausschaltung von CCR5 nicht verringert. Die einzige Arbeit, die das behauptet hat, wurde am 8.10.2019 zurückgezogen. Das sollte man wissen, wenn man darüber redet.
2. Die zweite Aussage ist auch falsch, denn wir wissen ziemlich genau, was die Genscheren für Nebeneffekte haben. Ich habe das für die Crispr Cas Twins vorgerechnet, sowohl für den Phänotyp als auch für die off-target Effekte. Die Folgen sind katastrophal, vermutlich der Grund, warum keiner nun die Kinder untersuchen darf.
3. Leider ist die ganze Diskussion Schnee vom letzten Jahr. Neuere prime editing Verfahren sind sehr präzise und können nach aktuellem Hochrechnung 90% der bekannten Mutationen reparieren. Damit ist aus technischer Sicht eine Genkorrektur verantwortbar.

Und wie steht es um die grundsätzliche Frage, ob man das darf?
Wir erreichen eine Schwelle, an der die Menschheit in der Lage ist, ihre eigenen biologischen Grundlagen technisch zu manipulieren. Es ist eine Menschheitsfrage zu klären, ob wir das wollen oder nicht. Und darüber müssen wir zunächst eine gesellschaftliche Debatte führen. Deshalb halte ich es für ein ethisch niederes Motiv, wenn einzelne Forscher aus Ruhmsucht vorpreschen.

Der erste Satz antwortet nicht auf die “grundsätzliche” Frage ebensowenig wie der zweite  Satz.
Die “Menschheit” hat im übrigen eine Meinung dazu: Keine der großen Weltreligionen erlaubt solche Eingriffe (wie wir in einer noch nicht veröffentlichten Arbeit zeigen werden).
Und drittens, woher kennt Peter Dabrock die ethische Motivation von He Jiankui, den er nie getroffen hat? Kollegen, die JK kennen, beschreiben seine Motivationslage als komplex, er ist in einer Gegend aufgewachsen in der ganze Dörfer an AIDS litten.

Der Deutsche Ethikrat fordert aktuell den globalen Stopp solcher Eingriffe. Hält er sie jedoch eventuell in der Zukunft für angemessen?
Ja, angenommen wir erreichen den Punkt, an dem wir solche Korrekturen für verantwortbar halten. Dann wäre es bei schweren Krankheiten sogar geboten, die Keimbahn zu korrigieren, wenn das die Chance bietet, Menschen gravierende Einschränkungen und den frühen Tod zu ersparen. Diesen Standpunkt vertritt die Mehrheit des Deutschen Ethikrats.

Ethik per Mehrheitsentscheidung hängt davon ab, wo die Mehrheiten gerade liegen. Heute hier, morgen da. Die Entscheidungen sollen zwar unpolitisch sein (§5 Ethikratgesetz) aber da die Mitglieder je zur Hälfte auf Vorschlag des Deutschen Bundestags und der Bundesregierung gewählt sind, ist jedes Statement des Ethikrates auch ein politisches Statement. C F Gethmann kritisiert ja auch unseren Problem-Monismus, dass die jeweiligen Wissenschaften sich jeweils auf ihr Problem konzentrieren müssen, während politisches Handeln bzw ethische Berwertung ein multidimensionales”Problemgefüge” bewältigen muss. Nur leider liegt der Ethikrat an so  vielen anderen Stellen immer wieder daneben, vermutlich weil ihm die Sachkenntnis der “Monisten” fehlt.

Es soll nun also geboten sein, die Keimbahn zu korrigieren? Auch von ethischer Seite sind die Interviewantworten von Dabrock so dubios, wie sie von medizinisch-biologischer Seite falsch sind. Liegen hier nicht unüberwindbare Konfliktmöglichkeiten?  Kaum ein Behinderterfindet es  gut, was der Ethikrat sich hier ausgedacht hat. Es gibt zu viele Gründe, die gegen Keimbahneingriffe sprechen, im übrigen deutlich mehr, als der Ethikrat in seiner Stellungnahme aufgezählt hat.

Rhetorisch ist das Argument zudem schwach, denn um Menschen gravierende Einschränkungen und den frühen Tod zu ersparen, verhindert man auch nicht, dass sie sich schneller als 30 km/h bewegen.

Und spricht Peter Dabrock hier eigentlich für den Ethikrat (sprich – ist das Interview autorisiert?) Spricht er für die evangelische Kirche? Oder für die evangelische Theologie? Oder ist das Thema eigentlich völlig egal und  Dabrock spricht nur für sich selbst?

Und hat er nicht 2017 gesagt, wir sind “meilenweit von einem Designerbaby entfernt”?

https://twitter.com/anncathrin87/status/869153881862938625

Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht.


CC-BY-NC

You get what you pay for: Genome sequencing

I always had the impression that the “standard” Illumina sequencing is a big business but not big science. A more recent paper of the Eichler group confirms that ““Multi-platform discovery of haplotype-resolved structural variation in human genomes”

The incomplete identification of structural variants (SVs) from whole-genome sequencing data limits studies of human genetic diversity and disease association. Here, we apply a suite of long-read, short-read, strand-specific sequencing technologies, optical mapping, and variant discovery algorithms to comprehensively analyze three trios to define the full spectrum of human genetic variation in a haplotype-resolved manner. We identify 818,054 indel variants (<50 bp) and 27,622 SVs (≥50 bp) per genome. We also discover 156 inversions per genome and 58 of the inversions intersect with the critical regions of recurrent microdeletion and microduplication syndromes. Taken together, our SV callsets represent a three to sevenfold increase in SV detection compared to most standard high-throughput sequencing studies, including those from the 1000 Genomes Project.


CC-BY-NC

Ethics and eugenics

Nature has an piece highlighting the history of the ethics profession along side the history of eugenics: Ethical research — the long and bumpy road from shirked to shared. Connecting these dots is only possible by partial omissions of the text

Eugenics […] is particularly associated with the mass-sterilization campaigns that began after Indiana’s 1907 act, and with the Nazi racial-hygiene programme that reached its nadir in the Holocaust. Another legacy of the eugenics movement is the management of populations using techniques such as demography, racial classification and statistical modelling. These, combined with family planning, became synonymous with modernity and progress. From Latin America and Scandinavia to India, China and the Soviet Union, eugenics took root in projects to ‘improve the population’ throughout the twentieth century. […] The stereotype of bureaucratic, box-ticking ethical compliance is no longer fit for purpose in a world of CRISPR twins […]


CC-BY-NC

City-Country-River

In1989, we compared the City of Munich and Upper Bavaria in a big study. Although we did not find so many differences, there is an increased interest now in city – urban differences. Another two papers appeared yesterday, one in ScienceVulnerability of the industrialized microbiota” and one in Environment InternationalUrban-associated diseases: Candidate diseases, environmental risk factors, and a path forward“. The latter study finds
Continue reading City-Country-River


CC-BY-NC

Schutz vor Allergien auf dem Bauernhof?

Keine Frage, die Lebensbedingungen auf Bauernhöfen sind anders. Mehr Tiere, mehr Dreck, mehr frische Luft, vieles ist anders als in der Großstadt. Dass es hier auch weniger Allergien gibt, wird wohl an den Bedingungen liegen, die bereits an einer der ersten Studien vor 30 Jahren zu sehen waren.

Clin Exp Allergy. 1999 Jan;29(1):28-34. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(01)06252-3 Hier nicht relevante Daten ausgegraut

Auch die Eltern hatten schon weniger Allergien. Der “protektive” Effekt kann also einfach dadurch erklärt werden, dass mit weniger Eltern als “Risikofaktor” auch weniger Kinder Allergien haben. Und warum die Eltern wohl weniger Allergien haben? Nun ja, mit Heuschnupfen wird man nicht gern im Heu arbeiten wollen. Auch das zeigen Studien ziemlich eindeutig.

Wenn man genau hinschaut, dann haben alle Bauernhofstudien immer wieder dieselbe Argumentationsstruktur: weil die Bedingung X dort so ist, dann kann die Folge Y auch auf die Bedingung X zurückgeführt werden. Allerdings machen immer mehr Beschreibungen von X die Story nicht glaubwürdiger.  Keine der jemals beschriebenen Bedingungen X, ist aus der Bauernhofsituation auf eine allgemeine Situation übertragbar gewesen, von einem einzigen verunglückten Versuch abgesehen.

Hier die Story mal erläutert an einem simulierten Datensatz – eine normal verteilte Allergiehäufigkeit und normal verteilte Endotoxinwerten. Zwischen beiden Variablen gibt es keine Korrelation.

Ausgangssituation: Jedes 10. Kind hat eine Allergie. Es gibt keine Korrelation zwischen Allergiehäufigkeit und Endotoxin.
Wir beginnen nun eine Studie im ländlichen Raum (dunkelgrün) und sind dabei vor allem an den Bauernhöfen interessiert (hellgrün), also nur der Region mit hoher Endotoxinbelastung.
Hier läuft aber schon seit längerem eine Wanderungsbewegung. Wer Heuschnupfen hat, wird nicht Heu machen können..
Somit fallen in dem oberen rechten Quadranten Allergiker weg und verteilen sich im dunkelgrünen oder grauen Bereich. Müssen nicht viele sein, 30% weniger reichen schon.
Wenn wir nun erneut eine Regressionsgleichung aufstellen, so gibt es eine negative Assoziation im ländlichen Bereich (kurze Linie) während in der Bevölkerung insgesamt die Verschiebung nicht besonders in das Gewicht fällt  (lange Linie).

Das ist nun genau das Ergebnis der Bauernhofstudien.

 

Natürlich kann ein hoher Endotoxin Spiegel auf den Bauernhöfen eine bestimmte Wirkung haben –  zumindest bei einigen Menschen und bei einigen Mäusen – aber mehr ist nach aktuellem Kenntnisstand auch sehr unwahrscheinlich.

Da die Lebensbedingungen auf dem Bauernhof angeblich protektiv sind, müsste es eigentlich Kinder geben, die eine Allergie haben sollten (zB wenn beide Eltern allergisch sind) aber nun  doch keine Allergien bekommen haben. Solche Kinder gibt es aber nicht…

Und hier auch noch das ganze auf Englisch im Blog oder in einem wissenschaftlichen Artikel –  Epidemiologen kennen den Effekt als klassischen Collider Bias.


CC-BY-NC

What is wrong with the 2011 NEJM paper?

N Engl J Med 2011;364:701-9 is another paper with 1000+ citations  that had a lasting impression on some but not all people.

First, I can’t remember of any study with such an enormous selection bias  where >94% of individuals have been lost.

Second, we should not forget that farm is not protective per se – farmers may just avoid a known allergy risk factor.  PARSIFAL participants in this study included Steiner schools — anthroposophic medicine mostly avoids vitamin D (ref). This is of course a major issue for any cross-sectional study that doesn’t take into account the temporality of events.

Third, in PARSIFAL dust from children’s mattresses were collected by vacuuming — it is not very likely that many helminthic eggs were transported  from stable to bedroom. In GABRIELA, only airborne dust samples  were collected which again may miss helminth eggs although being certainly present in stable dust.

Fourth, more  microbial exposure and more fungal taxa on farms are a trivial finding.

The inverse associations of the diversity scores with asthma were not confounded by status with respect to living on a farm because adjustment did not change the respective point estimates for asthma (Table 2), although the associations became nonsignificant.

Small sample size, borderline p-values even after a long fishing expedition?

What do these strange “probability” plots  really show – the probability of asthma or the probability to live on a farm?

N Engl J Med 2011;364:701-9 Figure 3 Does it refute any general effect of diversity?

The plots are misleading if adjustment for farm living does not change the parameter estimates for bacterial/fungal diversity.

Sixth – even many years later, the main findings of this study have not been independently replicated. There is not any single study that shows listeriosis (Listeria) or diphtheria (Corynebacterium)  to be protective.


CC-BY-NC

Does a healthy worker effect explain the allergy protection” at Bavarian farms?

Unfortunately most studies in the farming environment do not report the prevalence of parental history. Neither did they report the effect size of parental  genetic risk in the farming population. This is, however, a critical issue as the so called healthy worker effect (HEW) may be a rather trivial explanation of the results.

Specifically, it is a sampling bias: the kind of subjects that voluntarily enroll in a clinical trial and actually follow the experimental regimen are not representative of the general population. They can be expected, on average, to be healthier as they are concerned for their health [or as ill people already dropped out]

At least Braun-Fahrländer 1999 reported that allergic parents were seen much less at farms.  Consecutively history of allergy at farms is no more a risk factor as it is otherwise reduced compared to the general population – no diseased parent, no increased risk.  So lets see if there are  any further studies in adults?

I know of three studies (plus a review Le Moual N 2008).

Leynaert 2001 showed only a slightly reduced prevalence of “allergy” (39.1% vs 41.5%, NS). Her table 4 is most interesting. The association started only after year 1960 which points towards severe misclassification as far as the analysis is not stratified by year of birth.

Remes 2002 showed a dose dependent effect decline between farming (36.2%) and controls (31.6%, P=0.075),

Perkin 2006 also found some significant lower prevalence in farmers 47.3% versus 57.7%, P<0.001. HWE is therefore likely.

I found further six studies (Thelin 1994, Braback 2006, Chenard 2007, Thaon 2011, Elholm 2013 and Spierenburg 2015) that examined in detail a possible relationship of HWE, allergy and farming. Unfortunately the examination period in five of these studies is too short to make any conclusion while Braback 2006 seems to be the only reliable study.

Source: Braback 2006

From this study, we can safely conclude, that there is a significant HWE.

 

Addendum 22 Nov 2019

It seems that I missed some papers on HWE and farming.

Timm 2019 is a hard to understand cluttered 3 generation study of unclear asthma  type. Point estimates of parental asthma on farm upbringing are not really a measure of HWE – shuffling exposure and outcome distorts temporality. In contrast to the interpretation of the authors, I see a clear effect if both parents are born on a farm and one parent has asthma. The RR drops here to 0.33 that their child will be raised on a farm.

Vogelzang 1999: 400 pig farmers, X-sectional point estimates, not a  real HWE study, although HWE offered as explanation.

Health-based selection of nonasthmatics for pig farming, which tends to mask a work-related hazard for asthma, is offered as an explanation for these results.

Eduard 2015: compares asthma prevalence of 313 Danish farm children to their 518 sibs (which is identical) but useless, as affected parents would basically dropout all children.

There is even a second comparison of Norwegian farmers with a clear effect. Instead of comparing the early retired farmers with their respective age cohort they invented a c complicated quantile logitic regression in 4 year intervals. Detailed model parameter and significance levels are missing.

At least the conclusion was

A healthy survivor selection was observed in Norwegian farmers, but it was too small to fully explain the reduced risk of asthma observed in this population. A strong selection effect was observed among farmers who had changed production type

will be continued…

 


CC-BY-NC

Predicting life span – an ethical nightmare

One of the most fascinating articles earlier this year was the report of Timmers et al.  about the “Genomics of 1 million parent lifespans implicates novel pathways and common diseases and distinguishes survival chances“.   The British-Swiss-Estonian-Chinese-US collaboration identified by genome-wide SNP association of 1 million parental lifespan some new genes (ABO, ZC3HC1, and IGF2R) and replicate others (CDKN2B-AS1, ATXN2/BRAP, FURIN/FES, ZW10, PSORS1C3, 5q33.3/EBF1 and FOXO3).

Most of the variance is explained by disease variants that lead to dementia, cardiovascular disease, and lung cancer – of course people die of disease and not by bad genes. So whether correct or not, what worries me more is the construction of polygenic hisk scores that show a mean lifespan difference of around five years of life across the deciles.

This may become an ethical nightmare whenever treatment allocation will dependent on a polygenetic risk score that is largely irrelevant in an individual.


CC-BY-NC

Climate crisis and cognitive dissonance

There is an interesting twitter thread by @Psychologists4F about news concerning the climate crisis and how we respond to the cognitive dissonance – the mental discomfort or psychological stress experienced by a person who holds contradictory beliefs or values. There are at least four possibilities how to respond to it

  • Change the behavior (“reduce, refine, replace”)
  • Changing the conflicting situation by just ignoring it
  • Justify own behavior by pseudoexplanations, pointing to others
  • Deny information by devalueing the source

During the discussion the question was asked why the political right wing tends to ignore the dissonance. One commentator points towards a study in Current Biology that may have answer to that. Continue reading Climate crisis and cognitive dissonance


CC-BY-NC

cum assensione cogitare

Cum assensione cogitare, Glauben heisst denkend zustimmen: René Buchholz bringt auf feinschwarz.net einige Gedanken zu Max Horkheimers Hypothese, der Glauben sei eine Erfindung des Protestantismus, um einerseits die Wissenschaft, andererseits den Aberglauben nicht als einzige Alternative zu haben.

Die Unterscheidung des Glaubens vom bloßen Meinen einerseits und Wissen andererseits kennzeichnet indessen nicht erst die Reformation, wie Horkheimer meint, sondern wird bereits in der Scholastik vertreten […]. Nach Augustinus und Thomas bedeutet Glauben „cum assensione cogitare“ […] Der Glaube ist ein Akt des Intellekts […], verbunden mit dem Willen. Er bezieht sich auf eine Autorität, deren Glaubwürdigkeit durchaus geprüft werden darf, die vernünftigen Einsichten nicht widerspricht und Zustimmung verdient; eine Zustimmung, die getragen ist von göttlicher Gnade.

Unbedingt lesen!


CC-BY-NC

Es gibt keine Menschenrassen

Es gibt keine Menschenrassen, von Rassen spricht man nur noch im Zusammenhang mit der Tierzucht, wo bestimmte Gruppeneigenschaften gezüchtet werden.

Trotzdem habe ich Probleme mit der Jenaer Erklärung (zitiert nach hpd.de) von Johannes Krause

Aus genetischer Sicht gebe es im Genom des Menschen “keinen einzigen fixierten Unterschied, der zum Beispiel Afrikaner von Nicht-Afrikanern trennt. Es gibt – um es explizit zu sagen – somit nicht nur kein einziges Gen, welches ‘rassische’ Unterschiede begründet, sondern noch nicht mal ein einziges Basenpaar”. Äußere Merkmale, an denen Rassisten ihre Abwertung von bestimmten Menschengruppen festmachen, seien oberflächliche und biologisch leicht wandelbare Anpassungen an geographische Gegebenheiten. Bis vor 8000 Jahren seien die Menschen in Europa noch “stark pigmentiert” gewesen. Erst durch die Einwanderung von Menschen mit hellerer Hautfarbe aus Anatolien und dem damit einsetzenden Beginn der Landwirtschaft habe sich dies geändert, da es sich bei einer stark pflanzenbasierten Kost im dunklen Winter Europas als evolutionärer Vorteil erwies, hellere Haut zu haben und damit genügend Vitamin D produzieren zu können.
“Die helle Hautfarbe der Menschen im nördlichen Europa ist jünger als 5000 Jahre”, hält die Jenaer Erklärung fest. “Die Verknüpfung von Merkmalen wie der Hautfarbe mit Eigenschaften oder gar angeblich genetisch fixierten Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensweisen, wie sie in der Blütezeit des anthropologischen Rassismus verwendet wurden, ist inzwischen eindeutig widerlegt. Diese Argumentation heute noch als angeblich wissenschaftlich zu verwenden, ist falsch und niederträchtig. Es gibt auch keinen wissenschaftlich nachgewiesenen Zusammenhang zwischen Intelligenz und geographischer Herkunft, aber einen deutlichen mit sozialer Herkunft.”

Die Erklärung hat recht, insofern der Rassebegriff nur noch von Rassisten verwendet wird.

Sie hat auch recht daß es kein einziges Gen gibt, welches ethnische Unterschiede begründet – allerdings hat das auch niemand behauptet. Dagegen gibt es aber durchaus fixierte phänotypische und genetische Unterschiede in geographischen Regionen – einzelnen Volksgruppen,  Populationen oder auch Ethnien.

M9 ist nach gängiger Forschung der “out of Africa” Marker, siehe Wikipedia

Die Erklärung sagt schliesslich auch, dass Europäer näher verwandt sind mit Ostafrikanern, als Ostafrikaner mit Südafrikanern. Wie ist aber eine solche Aussage möglich sein, wenn man keine populationsspezifische Marker dafür hätte?

Für Abstammungstheorien wird oft die Kombination von SNP (Single Point) Marker verwandt. Mit Hilfe etwa der Hauptkomponentenanalyse (PCA) wurde zum Beispiel der ursprüngliche afrikanische Stammbaum  im letzten Jahr revidiert.

 

Quelle und Details auf https://academic.oup.com/hmg/article/27/R2/R209/4993963

Was also die ethnischen Unterschiede ausmacht? Es sind arbiträre biologische und statistische Kennziffern, die oft in unterschiedlichen Ausmass mit soziologischen Kennzeichen korrelieren.

Arbiträr deshalb weil genetische Abstandmasse wie FST auch mathematisch kein echtes Distanzmasse sind und von einer Vielzahl von Parametern abhängen (mehr zu FST). Die Aussage, es gäbe keine fixierten genetische Unterschiede zwischen Europäern und Afrikaner ist damit auch schlicht falsch.

Extensive set of African ancestry-informative markers (AIMs) to study ancestry and population health. ..  we generated a final set of 46,737 African ancestry-informative markers (AIMs).

AIMs sind nicht zuletzt wichtig, da die Unterschiede auch zu unterschiedlichen Krankheiten führen, Stichwort „precision medicine“.

Und das ominöse Vitamin D? Helle Hautfarbe = bessere Vitamin D Konversion bei Niedrigversorgung im Norden, bekannt auch als Loomis Hypothese, ist als evolutionärer Faktor zwar naheliegend, aber reine Spekulation. Ohne die Literatur zur Pigmentierung der Haut zu rekapitulieren – der Zweck der Pigmentierung ist Schutz der Basalzellschicht vor UV Strahlung und nicht die Limitierung der Vitamin D Produktion.

By contrast, deeper skin tones with more melanin filters at least twice as muchTrusted Source UV light. Researchers believe this is why skin cancer rates are lower in People of Color. However, a 2020 articleTrusted Source also highlights that a lack of diversity in trials and studies, and a shortage of people of color in the field of dermatology, means that scientists may not accurately understand how common skin cancer is in skin of color.

Die Vitamin D Konversion ist auch ohne starke Hautpigmentierung selbst limitierend. Sie setzt allenfalls früher ein, nämlich bei heller Haut  ca 20 Minuten nach Bestrahlung anstatt nach 40 Minuten bei dunkler Haut.  Das ist Lehrbuchwissen aus  Feldman und Pike. Nach aktuellem Kenntnisstand stimmt es wohl auch nicht, dass dunkle Hautfarbe die ursprüngliche Hautfarbe von H. sapiens in Afrika ist und Europäer mit heller Hautfarbe Mutanten sind. Ich vermute eher, daß helle und dunkle Hautfarbe die Extreme einer ansonsten mittleren Helligkeit sind  (zur Diskussion dieser Hypothese siehe Scholar).

Der letzte Stand nach meiner Kenntnis  steht in dem Science 2017 Paper von Sarah Tishkoff

Examining ethnically diverse African genomes, we identify variants in or near SLC24A5, MFSD12, DDB1, TMEM138, OCA2, and HERC2 that are significantly associated with skin pigmentation. … Functional analyses indicate that MFSD12 encodes a lysosomal protein that affects melanogenesis in zebrafish and mice, and that mutations in melanocyte-specific regulatory regions near DDB1/TMEM138 correlate with expression of ultraviolet response genes under selection in Eurasians.

In dieser Liste steht jedenfalls kein einziges Vitamin D Gen, so dass die Jenaer Erklärung auch hier nicht dem Wissenstand entspricht auch wenn sie gut gemeint ist.

 

20.9.2024

Journalisten werden allerdings auch weiterhin nicht müde,  zu dem Thema zu fabulieren, leider auch wieder in einem neuen Video.


CC-BY-NC

An irreversible experiment

Transgenic Aedes aegypti Mosquitoes Transfer Genes into a Natural Population. Scientific Reportsvolume 9, Article number: 13047 (2019).

In an attempt to control the mosquito-borne diseases yellow fever, dengue, chikungunya, and Zika fevers, a strain of transgenically modified Aedes aegypti mosquitoes containing a dominant lethal gene has been developed by a commercial company, Oxitec Ltd. …. Evidently, rare viable hybrid offspring between the release strain and the Jacobina population are sufficiently robust to be able to reproduce in nature. The release strain was developed using a strain originally from Cuba, then outcrossed to a Mexican population. Thus, Jacobina Ae. aegypti are now a mix of three populations. It is unclear how this may affect disease transmission or affect other efforts to control these dangerous vectors.


CC-BY-NC

More mutations, more asthma?

While some researchers still believe that genetics cannot be responsible for the asthma epidemic as the prevalence increased with only two generations I have no doubt that (within the gene by environment framework) any environmental change is a necessary but not sufficient cause.
I would count also epigenetic changes as “genetic” while there seems now even direct evidence of an increased mutational load in humans

While the overall deleterious homozygosity has consistently decreased, risk alleles have steadily increased in frequency over that period of time. Those that increased most are associated with diseases such as asthma, Crohn disease, diabetes and obesity, which are highly prevalent in present-day populations.


CC-BY-NC